Eskalierender Konflikt: 

Warum im Sudan gekämpft wird
Von Peter Helmes

2021 putschte das Militär im Sudan. Seither herrschen die Generäle. Alle Versprechungen, freie Wahlen abzuhalten, wurden bisher nicht erfüllt. Nun bekämpfen sich Armee und Paramilitärs in dem rohstoffreichen Land, die Zivilbevölkerung leidet.

Im Sudan ist ein Machtkampf zwischen Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und seinem Vize Mohammed Hamdan Daglo offen ausgebrochen. Die Armee unter al-Burhans Kommando kämpft gegen die „Rapid Response Forces“ (RSF), einer mächtigen paramilitärischen Gruppierung, die von Daglo angeführt wird.

Die Eskalation ist ein Rückschlag für die Demokratiebewegung im nordostafrikanischen Sudan. Im Jahr 2019 hatte eine von der Zivilgesellschaft getragene Bewegung den autoritären Langzeitherrscher Omar Al-Baschir gestürzt. Das Militär weigerte sich jedoch, seine Macht an eine zivile Regierung abzugeben, und putschte 2021.

Im April 2023 eskalierte dann ein lange schwelender Konflikt innerhalb des Sicherheitsapparats. Die militärische Konfrontation lässt das flächenmäßig drittgrößte Land Afrikas mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern zunehmend im Chaos versinken. Das Land ist reich an Rohstoffen wie Öl und Gold, aber die meisten Menschen im Sudan leben in Armut.

Wie ist die aktuelle Lage bei den Kämpfen im Sudan?
Die Gewalt hat sich inzwischen von der Hauptstadt Khartum auf die Nachbarstadt Omdurman sowie mehrere weitere Regionen des Landes, insbesondere Darfur, ausgebreitet. Verabredete Feuerpausen wurden bisher nur teilweise oder gar nicht eingehalten.

Manche Experten befürchten, dass der Sudan in einen lang anhaltenden Bürgerkrieg abrutschen könnte. „Noch gibt es diesen Bürgerkrieg nicht“, sagt Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Derzeit gehe es „nur“ um eine Auseinandersetzung zwischen staatlichen Sicherheitskräften. Diese könnten aber versuchen, Partner – etwa bewaffnete Gruppen – zu finden.

Ziehen sich die Auseinandersetzungen in die Länge, könnten mehr Menschen in der extrem zersplitterten sudanesischen Gesellschaft zu den Waffen greifen, warnt auch der britische Sudan-Experte Alex de Waal. Derzeit gebe es nur zwei Protagonisten, sagt er. „Geht der Konflikt weiter, wird die Situation schnell komplexer.“ Auch „ethnische Faktoren“ könnten bei der Bildung von Allianzen eine Rolle spielen.

Die International Crisis Group befürchtet, dass die Kämpfe schnell in einen anhaltenden Krieg abgleiten könnten, der dann über die unruhigen Randgebiete sogar auf die Nachbarländer übergreift.

Welche Konfliktparteien stehen sich im Sudan gegenüber?
Auslöser der Mitte April 2023 begonnenen Kämpfe ist der schon lange schwelende Machtkampf zwischen der Armee unter dem Kommando von Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und den rivalisierenden „Rapid Response Forces“ (RSF), einer mächtigen paramilitärischen Gruppierung, seines Vizes Mohammed Hamdan Daglo, auch Hemeti genannt. Ihm werden Gräueltaten vorgeworfen, unter anderem während des Bürgerkriegs in der Region Darfur.

Im Sudan sind seit Ausbruch der Unruhen am 14. April 2023 laut den Vereinten Nationen weit über 400 Menschen ums Leben gekommen und 3.700 verletzt worden. Die tatsächliche Opferzahl ist vermutlich deutlich höher.

Wie ist die Vorgeschichte der Kämpfe im Sudan?
2019 kam es zu monatelangen Protesten aus der Bevölkerung gegen Langzeitdiktator Omar al-Bashir. 1989 hatte sich dieser an die Macht geputscht und ein islamistisches System errichtet – unterstützt von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Nachbarland Ägypten. Abspaltungsbewegungen in der Provinz Darfur schlug er gewaltsam nieder.

Nach dem Sturz von Omar al-Bashir 2019 habe es dann eine zivil-militärische Machtteilung und eine Übergangsregierung gegeben, so Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Allerdings habe sich schnell herausgestellt, dass die zivilen Kräfte der Demokratiebewegung nicht wirklich darauf eingestellt waren, Regierungsmacht zu übernehmen, die Sicherheitskräfte rissen immer mehr Macht an sich. 2021 kam es schließlich zu einem Militärputsch.

Versprochen wurde aber weiterhin der Übergang zu einer zivilen Regierung. Im Zuge dessen sollten die RSF-Truppen in das Militär eingegliedert werden, was zu Spannungen innerhalb des Sicherheitsapparats führte. Daglo unterstellt Al-Burhan, seine Macht nicht aufgeben zu wollen. Aus diesem Konflikt ist ein erbitterter Machtkampf geworden.

Welche Auswirkungen hat der Machtkampf im Sudan auf die Bevölkerung?
Die Zivilbevölkerung leidet am meisten unter den Kämpfen. In der Millionenstadt Khartum müssen viele Menschen ohne Strom und fließendes Wasser bei hohen Außentemperaturen ausharren.
Die Versorgungssituation der Bevölkerung ist nach Angaben von UN und Nichtregierungsorganisationen kritisch. Da sich die Menschen vor den Kämpfen in ihren Wohnungen verstecken, können sie sich nur schwer mit Essen und Medikamenten versorgen.

Leichen auf den Straßen
Statt Marktständen säumen Leichen die menschenleeren Straßen von Khartum. Seit Beginn der Kämpfe sind die Geschäfte geschlossen. Die Gefahr ins Kreuzfeuer der Konfliktparteien zu geraten ist groß; in Fenstern von Wohnhäusern lauern Heckenschützen.

Besonders für Verletzte und Kranke ist die Lage prekär. Nur 35 Krankenhäuser und Kliniken seien in dem Land noch funktionstüchtig, berichtete das sudanesische Ärztekomitee. Und selbst diesen gehen die Medikamente aus. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen gibt es kaum noch Blutkonserven im Land.

In Darfur seien Lagerhäuser des Welternährungsprogramms geplündert worden, sagt Volker Perthes, UN-Sonderbeauftragter für den Sudan. „Effektiv können wir derzeit keine Hilfe leisten“, so Perthes. Das Welternährungsprogramm hat seine Tätigkeit – zumindest vorläufig – eingestellt. Nach Angaben von Perthes sind drei Mitarbeiter ermordet worden.

Fluchtbewegung in die Nachbarländer
In der ersten Woche des Konflikts flohen nach Angaben der Vereinten Nationen zwischen 10.000 und 20.000 Menschen aus dem Sudan in den Tschad, in dem bereits 400.000 sudanesische Flüchtlinge leben. Das Nachbarland sei schon jetzt mit der Versorgung der Geflohenen überlastet, erklärte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Auch Ägypten und der Südsudan haben bereits Flüchtlinge aufgenommen.

International sorgt die Eskalation für Entsetzen. Verschiedene Länder, darunter auch Deutschland, haben inzwischen Staatsbürger in riskanten Operationen ausgeflogen.

US-Außenminister Antony Blinken forderte die Anführer der beiden Konfliktparteien zu einer Waffenruhe auf. Blinken habe in einem Telefonat „die Dringlichkeit einer Waffenruhe“ betont, erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Auch die G7-Außenminister riefen die Konfliktparteien im Sudan auf, „die Kampfhandlungen umgehend zu beenden“ und Verhandlungen wieder aufzunehmen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich besorgt. Auch UN-Generalsekretär António Guterres schaltete sich diplomatisch in den Konflikt ein. Er sprach mit den beiden verfeindeten Militärführern des afrikanischen Landes und nahm Kontakt zur Afrikanischen Union und zur Arabischen Liga auf.

Welche Vorschläge für eine Lösung des Konflikts im Sudan gibt es?
Volker Perthes, UN-Sonderbeauftragter für den Sudan, hofft darauf, dass Großmächte wie die USA weiter Einfluss auf die Konfliktparteien ausüben. Aber auch Staatenbündnisse und Nachbarstaaten des Sudans könnten eine aktive Rolle spielen, betont er: „Wenn Ägypten als nördlicher Nachbar, wenn Südsudan als ehemaliger Teil des Gesamt-Sudan und südlicher Nachbar ihren Einfluss geltend machen, beide Parteien dazu zu bekommen, die Kämpfe einzustellen, ist das natürlich höchst willkommen.“
Quellen: Deutschlandfunk, Tilo Spanhel, Anne Allmeling, dpa, afp, epd, tei, ahe

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Bundeswehr fliegt Menschen aus dem Sudan aus
Die Bundeswehr hat mehrere 100 Menschen aus dem umkämpften Sudan ausgeflogen. Wie ein Sprecher sagte, wurden sie zunächst nach Jordanien gebracht.

Die Gesamtzahl der Evakuierten liegt bis jetzt (Stand 26.4.23) bei etwa 600 Personen – darunter Deutsche und Bürger anderer Staaten, hieß es. Die Bundeswehr übernahm von Frankreich die Aufgabe, die Evakuierungsflüge zu koordinieren.

Inzwischen beteiligen sich immer mehr Länder an den Flügen. Der britische Premierminister Sunak teilte heute früh mit, dass auch seine Regierung angefangen habe, britische Staatsangehörige mit Hilfe der Royal Air Force in Sicherheit zu bringen.

Waffenruhe verlängert
Die um Mitternacht (24.4.23) ausgelaufene Waffenruhe im Sudan wurde um 72 Stunden verlängert. Sowohl die Armee als auch die RSF-Miliz stimmten der Vereinbarung zu. Sie war von den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien vermittelt worden. US-Außenminister Blinken rief die Konfliktparteien auf, die Feuerpause einzuhalten. Am Abend befaßte sich der UNO-Sicherheitsrat mit der Lage in dem nordostafrikanischen Land.

Zweifel an Stabilität der Feuerpause
Der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter sagte im Deutschlandfunk, die Feuerpause sei künstlich und dürfte in wenigen Tagen gebrochen werden. Eine weitere Eskalation der Lage im Sudan schloss Kieswetter nicht aus. Er verwies dabei auch auf die Rolle der russischen Söldner-Gruppe Wagner in dem ostafrikanischen Land, die dort aktiv sei.

Auch die Büroleiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum, Röhrs, warnte vor zu großen Erwartungen an die vereinbarte Waffenruhe. Beide Konfliktparteien könnten sich nun gezielt auf neue Kämpfe vorbereiten. Die Zeit sei allerdings auch für die humanitäre Versorgung wichtig. Röhrs sagte im Deutschlandfunk, die Feuerpause müßte international genutzt werden, um Verhandlungen einzuleiten.

Schwerer Rückschlag für sudanesische Demokratiebewegung
Röhrs, die selbst durch die Evakuierungsflüge der Bundeswehr aus dem Sudan gebracht wurde, bezeichnete die ausgebrochenen Kämpfe als schweren Rückschlag für die Demokratiebewegung in dem Land. Bei den Verhandlungen, den Übergang zu einer Zivilregierung zu ermöglichen, habe es in den letzten Wochen Fortschritte gegeben. Nun hätten sowohl die sudanesische Armee als auch die rivalisierende RSF-Miliz verdeutlicht, kein Interesse an einer Demokratie zu haben. Durch den Abzug internationaler Botschaften könnten die Konfliktparteien nun ungestörter agieren.

Seit zehn Tagen Kämpfe
Im Sudan kämpfen die Truppen der beiden mächtigsten Generäle des Landes gegeneinander. Hunderte Menschen wurden getötet, zehntausende sind auf der Flucht.
In dem Konflikt stehen sich der De-facto-Präsident al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, und sein Stellvertreter Daglo gegenüber. Er ist Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Eigentlich hätte sich die RSF der Armee unterordnen und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen werden sollen. Da sich beide Lager jedoch letztlich nicht einigen konnten, schlug der Konflikt in Gewalt um.

Ist es ein „Krieg“, „Kämpfe“ oder „Bürgerkrieg“?
In vielen Medien ist von „Kämpfen“ oder einem „Machtkampf“ die Rede. Der UN-Sonderbeauftragte Volker Perthes hat im Deutschlandfunk dagegen klar von einem „Krieg“ gesprochen.
Für Moritz Behrendt wird der Sachverhalt beim Blick auf die Bilder klar: „Beide Seiten setzen Panzer ein. Die reguläre Armee setzt auch die Luftwaffe ein, um Stützpunkte der ‚Rapid Support Forces‘ zu beschießen. All diese Bilder zeigen aus meiner Sicht: Das ist Krieg und nicht irgendeine Eskalation eines Machtkampfes oder irgendwelche undefinierten Zusammenstöße, wie es manchmal in manchen Medien heißt.“

Der „bequeme“ Begriff des Bürgerkriegs
Von einem drohenden „Bürgerkrieg“ zu sprechen sei dagegen grundfalsch, so Behrendt: „Zehntausende Bürger haben 2019 und auch seit 2021 im Sudan immer wieder gegen Diktatur und Militärherrschaft protestiert – häufig übrigens auch angeführt von Frauen – und manche der Demonstration wurden blutig niedergeschossen. Dennoch haben sie weitergemacht und übrigens auch immer mit den Militärs verhandelt, wie denn ein Übergang zu einer zivilen Regierung aussehen könnte.“

Von „Bürgerkrieg“ zu besprechen sei zu bequem von Medien, meint Behrendt. Dadurch entstehe der Eindruck, dass „in irgendeinem afrikanischen Land halt wieder Bürgerkrieg“ herrsche und diese Bequemlichkeit führe wiederum schnell zu Desinteresse für das, was im Sudan wirklich passiere.

Je länger ein Land im Chaos verharrt, desto chaotischer werden die Verhältnisse und desto schwieriger wird es, eine Rückkehr zur Stabilität zu vermitteln. Europa, die USA und ihre Verbündeten haben in der jüngsten Vergangenheit – und tatsächlich auch in der Gegenwart – erfahren, welche Folgen es hat, wenn rivalisierende Länder ihren Einfluß geltend machen, während der Westen zögert. Für komplexe politische Krisen gibt es selten einfache Lösungen. Sie erfordern ein langfristiges Engagement ohne Dankbarkeit – und eine große Entschlossenheit.

Da sei ein Zwischenruf gestattet:
Wo bleibt die AU – die Afrikanische Union?
Die militärische Konfrontation im Sudan ist eine deutliche Erinnerung an das Ausmaß politischer Arbeit, das auf dem afrikanischen Kontinent noch aussteht. Alle Gespräche über einen Waffenstillstand im drittgrößten Land Afrikas wurden von Saudi-Arabien und den USA vermittelt.

Die Afrikanische Union glänzte dagegen durch Abwesenheit.
Und das, obwohl sie das einzige Gremium ist, das alle Staaten Afrikas gleichermaßen vertritt. Ein Gremium, bei dem der Kontinent um Rat bittet, um Frieden, soziopolitische Stabilität und Entwicklung. Wie kann es sein, daß die AU verschwindet, wenn sie am meisten gebraucht wird?

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EU ./. Peking – 

Noch immer kein Ende der Illusionen
Von Peter Helmes

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reisten gemeinsam nach China, um mit dem chinesischen Machthaber Xi Jinping zu sprechen. China ist einer der größten Handelspartner der Europäischen Union – doch zugleich befindet sich das Land in einem sich immer weiter zuspitzenden Konflikt mit den USA und hat sich in Bezug auf den Krieg in der Ukraine weitgehend auf die Seite Russlands geschlagen. Das sorgt auch zwischen Europa und China zunehmend für Irritationen und Verstimmungen.

Von der Leyen hat vor diesem Hintergrund eine Grundsatzrede mit der Forderung gehalten, die europäischen Beziehungen zu China auf ein neues Fundament zu stellen. Die EU-Kommissionspräsidentin will die Beziehungen zu China „auf der Grundlage von Transparenz, Berechenbarkeit und Gegenseitigkeit“ neu austarieren. „Unsere Beziehungen sind unausgewogen und werden zunehmend von Verzerrungen beeinflusst, die durch Chinas staatskapitalistisches System verursacht werden“, sagte sie in ihrer Grundsatzrede in Brüssel.

Dahinter steckt vor allem der Gedanke, dass die EU unabhängiger von China werden und die wirtschaftliche Risiken im Verhältnis zum bevölkerungsreichsten Land der Erde minimieren muss. Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat gezeigt, wie schnell sich geopolitische Lagen ändern können, die dann auch die wirtschaftlichen Beziehungen massiv beeinflussen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die Beziehungen zu China „auf der Grundlage von Transparenz, Berechenbarkeit und Gegenseitigkeit“ neu austarieren. „Unsere Beziehungen sind unausgewogen und werden zunehmend von Verzerrungen beeinflusst, die durch Chinas staatskapitalistisches System verursacht werden“, sagte sie in einer Grundsatzrede in Brüssel.

Zugleich machte sie aber auch deutlich, daß die Konsequenz nicht sein könne, sich von China abzuwenden. „Ich glaube, es ist weder machbar noch im Interesse Europas, sich von China abzukoppeln“, betonte sie. Stattdessen warb sie für einen offenen Austausch. Entscheidend sei, diplomatische Stabilität und offene Kommunikation sicherzustellen.

Einen Schwerpunkt legte von der Leyen auf wirtschaftliche Risiken für Europa. Handel und Investitionen könnten in einigen Bereichen durchaus Risiken für Europas Wirtschaft und die Sicherheit der EU-Mitgliedsländer bergen. Dies gelte etwa für den Handel mit zivilen Gütern, die auch militärisch genutzt werden können – und auch für Investitionen in China, bei denen Technologie- oder Wissenstransfer durch die Regierung in Peking erzwungen werde.

Von der Leyen wörtlich:

„Wir müssen sicherstellen, daß das Kapital, der Sachverstand und das Wissen unserer Unternehmen nicht dazu genutzt werden, die militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten derjenigen zu stärken, die für uns auch systemische Rivalen sind…“.

In der Tat, ein Beenden der wirtschaftlichen Beziehungen wäre unvertretbar, ja „verrückt“ (Juncker), und auch nicht im europäischen Interesse. Gerade die Europäer müssen  Risikominderung betreiben – und auch ihre Sicherheitsinteressen mehr wahren, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Ein sehr beachtenswerter Beitrag v.d. Leyens, die in der Vergangenheit eher durch Unklarheiten denn durch genauere Analysen aufgefallen ist. Jetzt hat sie mit ihrer Rede gezeigt, daß die EU-Kommission China und seine Ansprüche sehr gut versteht.

Nüchtern, ohne Polemik und ohne moralisierende Untertöne hat v.d.L. deutlich gemacht, daß es angesichts der chinesischen Politik der vergangenen Jahre kein „Weiter so“ in der europäischen China-Politik geben könne. Es war eine wohltuend offene und ehrliche Ansage, die überfällig gewesen sei.

Gleichzeitig sandte die Kommissionspräsidentin ein klares Signal der stärkeren europäischen Koordinierung und einer gemeinsamen Botschaft an die chinesische Regierung: Kooperation, Wettbewerb und systemische Rivalität.

Diese drei Dimensionen bestimmen nach ihrer Rede das Verhältnis zu China. Es Ist gewiß ein Balance-Akt, klare Worte zu finden. Aber wir sind an einem Punkt, wo diplomatisches Gesäusel nichts hilft. Man muß klar die Konfliktbereiche benennen und zugleich insistieren, daß es trotzdem Möglichkeiten zur Kooperation gibt. Das hat Frau von der Leyen in der Rede sehr klar gemacht.

Das Ziel der Reise lag also auf der Hand: Die Europäer wollten sich in China geschlossener und als Partner auf Augenhöhe präsentieren. Angesichts der Vorgeschichte darf man allerdings das Vorhaben mit einiger Skepsis betrachten. Das diplomatische Fenster, durch das sich die v.d. L. und Macron zwängen mußten, ist eng. Es zeugt schon von großem Optimismus oder einer gehörigen Portion Selbstüberschätzung, wenn Frankreichs Präsident Macron und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen glauben, China von der Seite Russlands abbringen zu können. Dafür ist das militärische Gewicht Europas viel zu gering und die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Reich der Mitte viel zu groß.

Das politische Klima in China hat sich ideologisch versteift und Europa tut sich schwer, auf internationaler Bühne mit einer Stimme zu sprechen. Vor diesem Hintergrund wären Macron und von der Leyen gut beraten, für das einzutreten, worüber sie sich einig sind: Die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von China zu verringern, um dem Reich der Mitte keine offene Flanke zu geben.

Illusionen darf sich Europa jedoch nicht hingeben. Der Kontinent muß sich endlich selbst wappnen. Industriell, landwirtschaftlich, energiemäßig und militärisch muß er unabhängiger werden. Medikamente, seltene Erden, saubere Energien: Hier muß Europa aufbauen, was bisher verpaßt wurde – und was nicht länger importiert werden soll. Wie das geht, macht gerade China vor.

China kann Europa nicht ignorieren und umgekehrt auch nicht. Europa ist für die chinesische Wirtschaft wichtiger als jede privilegierte Beziehung zu Russland. Es ist klar, daß Peking dabei Paris als einen Gesprächspartner sieht, mit dem das Drehbuch der Beziehungen zwischen dem Westen und China neu geschrieben werden kann. Macron nahm französische Unternehmer mit nach Peking, um die Handelsbeziehungen mit China zu verbessern und seine Rolle in der Außenpolitik zu stärken. Von der Leyens Kritik an China und ihre Nähe zu US-Präsident Biden sind deutlich. Die Ergebnisse all dieser Besuche waren vorhersehbar: Der Handel wird gestärkt, aber bei Chinas Einsatz für Frieden zwischen Russland und der Ukraine bleibt es bei purer Rhetorik.

Aber es wirkt naiv, wenn Macron erklärt, er vertraue darauf, daß Xi Russland zur Vernunft bringe. Die EU-Kommission soll China als Partner, aber auch als Konkurrent und systemischer Rivale behandelt werden. Die EU muß den Verkauf kritischer Infrastruktur an China unterbinden. Die engen wirtschaftlichen Beziehungen müssen nicht gekappt werden; denn das wäre nur teuer und schädlich für beide Seiten. Insofern hat der Besuch von Macron und von der Leyen gezeigt, daß eine Zusammenarbeit weiterhin notwendig und China kein Feind ist. Aber es ist eben auch kein Freund.

Fazit: Die EU kann ihre Verflechtungen – anders als die USA – von China nicht lösen. China wird sowohl als Rivale als auch als Partner betrachtet. Kein Land der Welt könnte ernsthaft behaupten, daß China wirtschaftlich entkoppelt werden muß – das hat auch die Regierung in Paris eingeräumt.

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Hintergrund-Information:
China ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes der wichtigste Handelspartner der Europäischen Union. 2021 wurden zwischen China und der EU Waren im Wert von 696 Milliarden Euro gehandelt. Das entsprach rund 16 Prozent des gesamten EU-Warenverkehrs. Der Anteil der USA ist ähnlich groß, er lag bei rund 15 Prozent.

Unausgeglichene Handelsbilanz: 22 Prozent Importe, 10 Prozent Exporte
Beeindruckend sind vor allem die Zuwachsraten im Handel mit China: Im Jahr 2000 hatte dieser noch einen Anteil von nur 4,4 Prozent am EU-Warenverkehr. Bei Importen und Exporten gibt es zwischen Europa und China ein Ungleichgewicht. 2021 kamen rund 22 Prozent der Importe aus China, während nur rund zehn Prozent der europäischen Exporte nach China gingen.

China ist auch auf Europa angewiesen
Zum vollständigen Lagebild gehört allerdings auch, daß China auf Europa angewiesen ist – als Technologielieferant sind die europäischen Staaten für das Land unverzichtbar, auch wenn ihre Bedeutung abgenommen hat.
Daß es viele gegenseitige Abhängigkeiten gibt, ist unbestritten, doch wie groß sie sind, wird durchaus unterschiedlich beurteilt. So sagt beispielsweise der Außenwirtschaftschef der DIHK, Volker Treier, China werde wirtschaftlich überschätzt. „Wir fragen immer nach unserer Abhängigkeit, China ist auch wahnsinnig abhängig von uns“, betonte er im Dlf.

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Europa und Amerika haben bei China sehr unterschiedliche Interessen

China stellt erneut Die Führungsrolle der USA infrage
Was sich in Peking abspielte, war ein Trauerspiel. Europäische Top-Politiker traten dort zum Schaulaufen an, doch das Ergebnis kann nur den Chinesen gefallen. Am besten schlug sich Ursula von der Leyen. Die Präsidentin der Kommission lehnte eine wirtschaftliche Abkopplung von China ab. Gleichzeitig beharrte sie darauf, Abhängigkeiten vom Reich der Mitte so weit als möglich zu reduzieren. Nüchtern, distanziert, aber konziliant im Ton – die gute Haltungsnote war ihr sicher.

Annalena Baerbock hingegen provozierte ihre Gastgeber mit Schulmeistereien zu Taiwan und den Menschenrechten. Die Chinesen schwiegen eisern. Sie behandelten die deutsche Außenministerin wie einen Platzregen auf dem Platz des himmlischen Friedens; ein vorübergehendes Ereignis, ohne weiteren Belang.

Baerbock sollte die Amtsbezeichnung Außenministerin ablegen und sich fortan Ministerin für das Wahre, Schöne und Gute nennen. Bei ihrer Standpauke hatte sie den idealistisch gesinnten Teil des deutschen Publikums fest im Blick. Für eine Wirkung, die über bloße Worte hinausgeht, interessiert sich Baerbock nicht. Die Chinesen können sie und ihre feministische Außenpolitik getrost ignorieren.

Die USA erleben ihre Zeitenwende im Pazifik
Emmanuel Macron hingegen erzielte maximale Trefferwirkung. Er warnte in einem Interview davor, „daß wir vor lauter Panik glauben, wir seien nur die Gefolgsleute Amerikas“. Mit Blick auf Taiwan fügte er hinzu, das große Risiko für Europa bestehe darin, „in Krisen verwickelt zu werden, die nicht die unseren sind, was es daran hindert, seine strategische Autonomie aufzubauen“.

Der französische Präsident hat recht mit seiner Feststellung, daß die EU gar nicht umhinkommt, eine eigenständige China-Politik zu betreiben. Wegen der unterschiedlichen geopolitischen Ausgangslage gehen die amerikanischen und die europäischen Interessen auseinander.

Die USA sind eine pazifische Macht. Sie sind ein Anrainerstaat und besitzen überall im Pazifik eigene Stützpunkte. Amerika fällt zudem die Verantwortung zu, seine Verbündeten Japan, Südkorea und Taiwan zu schützen. Die chinesische Aufrüstung berührt die US-Sicherheitsinteressen daher unmittelbar.

Noch nie seit der Niederlage des kaiserlichen Japan 1945 wurde die Vorherrschaft Amerikas über den Pazifik derart infrage gestellt wie durch Peking. Für die USA bedeutet das eine Zeitenwende. Sie kommt unspektakulärer daher als die europäische Variante mit dem Ukraine-Krieg, ihre Folgen sind aber genauso gravierend.

Das aus europäischer Sicht unbesonnene Gerede in Washington über einen bevorstehenden Krieg um Taiwan hat hier seinen nachvollziehbaren Hintergrund. Zum ersten Mal seit 80 Jahren kann sich Amerika nicht mehr darauf verlassen, in jedem Seekrieg die Oberhand zu behalten. Damit ist die Sicherheit der amerikanischen Westküste bedroht. Wenn das kein Grund ist, nervös zu sein, was dann?

Europa hingegen ist keine pazifische, sondern eine eurasische Macht – auch wenn man geneigt ist, den Begriff Macht in Anführungszeichen zu setzen. Die unmittelbaren Bedrohungen lauern im Osten mit Moskaus Imperialismus und jenseits des Mittelmeers: in der arabischen Krisenregion und in Afrika mit seinen Migrationsströmen. Die Europäer werden schon damit nicht fertig. Warum sollten sie sich da um die Geopolitik des Pazifiks kümmern? Für sie ist China vor allem ein Markt.

Der Gegensatz zwischen den transatlantischen Partnern ist evident. Gelingt es ihnen nicht, ihn aufzulösen, steht der lachende Dritte schon fest. Das kann am allerwenigsten im Interesse der Europäer sein.

Deshalb hat Macron mit seiner Behauptung unrecht, die Spannungen um Taiwan seien allenfalls eine sekundäre Sorge für Europa. Eskaliert die Lage zwischen den beiden chinesischen Staaten, gerät die Weltwirtschaft ins Taumeln. Lieferketten werden reißen, eine Rezession scheint dann unvermeidlich. In einem sino-amerikanischen Konflikt müssen sich die Europäer entscheiden, auf wessen Seite sie stehen. (Kommentar der NZZ)

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DEUTSCHLAND ALS CHANCENLAND STATT VERBOTSREPUBLIK

Deutschland fällt im internationalen Standortwettbewerb immer weiter zurück und belegt unter den Industrienationen inzwischen einen der hinteren Plätze. Diesen Zustand hat die Bundesregierung zwar nicht allein herbeigeführt, aber sie verschlimmert ihn Tag für Tag, weil ökonomisch und ökologisch nachhaltige Zukunftskonzepte fehlen:

Wir schalten CO2-freie Energieträger wie Kernenergie ab und importieren Energieträger, ohne gleichzeitig eigene Energiequellen wie Fracking-Gas zu erschließen oder Erneuerbare mit Netzen und Speichern zügig auszubauen.

Die Ampel konzentriert sich auf Verbote, statt den Einsatz neuer Technologien zu erleichtern und zu ermöglichen.

Wegen des selbst verschuldeten Angebotsmangels haben wir mit die höchsten Energiepreise weltweit bei gleichzeitig steigendem CO2-Ausstoß. Wegen innovationshemmender Verbote finden wohlstandsfördernde und klimaschützende Innovationen zunehmend in anderen Ländern statt. Die Wirtschaft wird dadurch ebenso belastet wie das Klima. Zusätzlich herrschen Arbeits- und Fachkräftemangel.

Die Politik belastet die Unternehmen mit immer neuen bürokratischen Auflagen, wir verweigern uns einer Unternehmensteuerreform für einen attraktiveren Standort, wir investieren zu wenig in Infrastruktur, unser Bildungssystem ist undurchlässig und benachteiligt die ohnehin Benachteiligten.

Deutschland braucht ein deutliches Aufbruchssignal:
Unternehmen im In- und Ausland müssen merken, daß Deutschland als Standort wieder attraktiv ist. Die Menschen im Land müssen das Signal bekommen, daß sich Leistung und Ideen für alle wieder lohnen.

1. Für eine Energiepolitik, die auf Marktwirtschaft und Innovation setzt
Der Emissionshandel ist das wirksamste Instrument im Klimaschutz, weil es CO2-Ausstoß begrenzt und ihm einen Preis gibt. Damit wird an der Stelle CO2 eingespart, wo es mit den geringsten Kosten möglich ist. Deshalb sollte der gesamte Klimaschutz auf dieses Instrument ausgerichtet werden. Wir lehnen Verbote für Energieträger, Antriebstechnologien, Heizungen oder Produktionsweisen genauso ab wie unbezahlbare Sanierungsvorgaben. Wir vertrauen auf die Innovationskraft der Menschen und auf die Kräfte des Marktes. Begleitend können Investitionen für bestimmte Unternehmen und Bürger durch Förderprogramme unterstützt werden, um die Transformation wirtschaftlich und sozial zu gestalten. Hier muss der Grundsatz gelten: targeted and temporary – gezielt und zeitlich begrenzt.

2. Aufstiegschancen für alle
Wir müssen Aufstiegsgeschichten wieder erleichtern - unabhängig von Herkunft, Sozialisation und Geldbeutel der Eltern. Dies steht und fällt mit der Bildung. Die Ausstattung der öffentlichen Schulen in Deutschland muss in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und lokaler Wirtschaft verbessert werden. Dabei soll es attraktive Abschreibungs- und Sponsoringmöglichkeiten für unterstützende Unternehmen geben. Es muss sichergestellt werden, dass Klassen mit einem hohen Förderbedarf deutlich verkleinert werden, damit eine gezielte Förderung möglich ist. Die Investition in zusätzliche Lehrkräfte ist für den Staat günstiger als der Reparaturbetrieb bei gescheiterter Integration und fehlender Bildung.

3. Zuwanderung in den Arbeitsmarkt erleichtern, in die Sozialsysteme erschweren
Einwanderung zur Abmilderung des Arbeits- und Fachkräftemangels ist weitgehend unstrittig. Entscheidend ist aber die Einwanderung von Menschen, die einen positiven Beitrag zur Entwicklung unserer Volkswirtschaft und der Gesellschaft leisten. Einwanderung durch illegalen Grenzübertritt, Aufenthalte von kriminellen und integrationsunwilligen Einwanderern müssen unterbunden bzw. beendet werden, auch um die Akzeptanz in der Bevölkerung für die notwendige legale Einwanderung nicht zu verlieren. Deshalb muss die illegale Einwanderung bzw. der Verbleib für ausreisepflichtige Einwanderer erschwert werden. Dies beinhaltet die Durchsetzung des Sachleistungsprinzips bei den Sozialleistungen und einen Schutz der deutschen Außengrenzen, wenn illegale Einwanderung von der EU wie bislang nicht verhindert wird.

4. Für eine Steuerpolitik, die Investitionen und Innovationen erleichtert
Die Besteuerung von Personen- wie auch für Kapitalgesellschaften muss attraktiver werden. Die Steuersätze müssen gesenkt, Pauschalen erhöht und Abschreibungsbedingungen verbessert werden. Wir können nur so Freiräume für Investitionen und Innovationen schaffen. Wenn dadurch Unternehmen im Land gehalten oder neue gewonnen werden und auf diese Weise Wachstum entsteht, wird sich die Steuersenkung volkswirtschaftlich und auch fiskalisch lohnen.

5. Für zukunftsfeste Sozialversicherungen
Wir sprechen uns für eine Beitragsgarantie aus, mit der die Sozialabgaben dauerhaft auf 40 Prozent gedeckelt werden. Kostensteigerungen müssen durch Einsparungen abgefedert, Leistungsausweitungen ausgesetzt oder durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert werden. Zugleich müssen alle Sozialversicherungen innerhalb der nächsten drei Jahre demografiefest gemacht werden. Dazu bedarf es grundlegender Reformen, bei denen durch Leistungskonzentration, Effizienzsteigerung und mehr Selbstbehalte oder private Ergänzungen die Ausgaben gedeckelt werden. Ohne eine tiefgreifende Modernisierung aller Sozialversicherungen drohen ein Gesamtversicherungsbeitrag von 50 Prozent und weiter steigende Zu-schüsse aus dem Bundeshaushalt.

6. Für wirtschaftliche Resilienz durch mehr Freihandel
Deutschland ist tief in internationale Wertschöpfungsketten integriert. Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt vom Export ab. Auch viele deutsche Mittelständler sind auf dem Weltmarkt erfolgreich. Mit dem Abschluss weiterer EU-Freihandelsabkommen und einer gezielten Außenwirtschaftspolitik können Handels- und Investitionsbeziehungen ausgebaut und Absatz- wie Herkunftsmärkte diversifiziert werden. Dies stärkt unsere Krisenfestigkeit und zahlt auf unseren Wohlstand ein.

7. Eigentum erhalten und Eigentumsbildung fördern
Wer Eigentum hat, gewinnt an Freiheit und steht Krisen leichter durch. Eigentum darf nicht durch Steuern oder Regulierung massiv entwertet werden. Ziel muss stattdessen sein, Deutschland zum Land von Eigentümern zu machen. Die Menschen sollen sich auch mit durchschnittlichen Einkommen wieder Wohneigentum leisten können. Deshalb muss es einen Freibetrag pro Haushaltsmitglied bei der Grunderwerbsteuer für die erste selbst genutzte Immobilie geben. Die Anforderung an energetische Vorgaben und sonstige Bauvorschriften dürfen nicht weiter erhöht, sondern müssen kritisch überprüft werden. Da wo Vorschriften die Baukosten für Wohnungen unverhältnismäßig erhöhen, müssen sie gesenkt werden. Auch sollen Arbeitnehmer stärker an Kapitaleinkünften und Unternehmensrenditen partizipieren können. Wir wollen die Regelungen zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung verbessern und Kapitalbildung in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge erleichtern.

8. Neue Gesetze dürfen wirtschaftliche Betätigung nur noch erleichtern, nicht erschweren
Das Versprechen der Ampel-Regierung eines Belastungsmoratoriums wird immer wieder gebrochen. Wir brauchen nicht nur einen echten Belastungsstopp für die Regierung, der sie auch bei ihrer Mitwirkung in EU-Gremien bindet, wir müssen auch Ballast abwerfen. Der Normenkontrollrat muss zusätzliche Kompetenzen bekommen: unter anderem für die Bewertung von EU-Regulierungen sowie Regulierungen, die vom Bundestag geplant oder beschlossen werden. Der Normenkontrollrat soll einen Bürokratie- und Belastungsmonitor entwickeln und mindestens zweimal pro Jahr öffentlich darstellen, wie sich die Regulierung durch EU und Bund auf Deutschlands Bürger und Unternehmen entwickelt hat.
(Aus einem Forderungspapier der CDU)

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ARBEITSKRÄFTEMANGEL *)

Deutschland ist mit einem massiven Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel konfrontiert. Aktuell sind knapp 900.000 freie Arbeitsstellen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldet. Die ungemeldeten Stellen belaufen sich nach Schätzungen auf eine weitere Million.

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (Personen zwischen 20 und unter 65 Jahren) wird bis 2030 um 3,9 Millionen auf einen Bestand von 45,9 Millionen Menschen sinken. Die Zahl der Schulabgänger sinkt weiter. Zugleich sind mehr als 230.000 unbesetzte Ausbildungsplätze bei der BA gemeldet – Tendenz steigend. Durch die nicht besetzten Stellen bleiben die Unternehmen unter ihren Möglichkeiten, der volkswirtschaftliche Schaden und die Steuerausfälle sind gewaltig. Die Politik muss auf unterschiedlichen Politikfeldern rasch Maßnahmen ergreifen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

1. Frühkindliche und schulische Bildung
Deutschland schneidet in internationalen Schulleistungsstudien schlecht ab. Hinzu kommt eine hohe und steigende Zahl von jährlich 50.000 Schulabgängern ohne Bildungsabschluss. Fehlende Berufsorientierung an den Schulen und ein unzureichendes Niveau in den MINT-Fächern stellen die Ausbildungs- bzw. Studienreife zunehmend in Frage.

Die MIT fordert:
Wettbewerb ist das bewährteste Verfahren zur Entdeckung innovativer und tragfähiger Lösungen. Was in der Wirtschaft gilt, das gilt auch in der Bildung. Mit dem föderal ausgerichteten Bildungssystem hat Deutschland die besten Voraussetzungen für ein wettbewerblich ausgerichtetes Bildungssystem. Leider bleibt dieser Wettbewerb unter seinen Möglichkeiten. Die Ergebnisse und Unterschiede der Bildungssysteme der Bundesländer werden zu wenig transparent und zu selten publik gemacht. Nur was gemessen wird, kann auch verbessert werden. Ziel ist ein echter Benchmark der Systeme in den Bundesländern von der Länderebene bis zu den einzelnen Kommunen und Schulen. Insbesondere die Bundespolitik ist gefordert, stärkere Anstrengungen in Sachen Bildungsevaluation zu unternehmen und die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb im Bildungssektor zur stärken.

• Jährliche Evaluation der Bildungs- und Ausbildungserfolge der Länder und Kommunen anhand bestehender Bildungsstandards und verpflichtende Debatten in den Parlamenten über die Ergebnisse.
• Systematische Einbeziehung von Unternehmen (insbesondere mittelständische und Ausbildungsunternehmen) bei der Evaluation der Bildungsergebnisse, z. B. durch Gründung eines Unternehmensbeirats, der eine eigene Bewertung der Ergebnisse abgibt.
• Weiterentwicklung von Bildungsstandards in allen Fächern (auch in der ökonomischen und digitalen Bildung).
• Überprüfung von Bildungsstandards muss häufiger und regelmäßig stattfinden und Ergebnisse müssen transparenter/öffentlichkeitswirksamer veröffentlicht werden
• Stärkung des Wettbewerbs im Bildungssektor durch Stärkung der Autonomie von Bundesländern, Kommunen und Schulen.

Mehr Praxisorientierung in der Schulischen Bildung:
• Die Kapazitäten im Bereich der MINT-Fächer in den Schulen müssen ausgebaut werden. Dabei sollen forschende Unternehmen in die Entwicklung der Lehrpläne einbezogen und für Praxisanteile im Unterricht einbezogen werden.
• Die schulische Ausbildung muss verstärkt die individuellen Fähigkeiten in den Blick nehmen.
• Moderne digitale Unterrichtsmethoden müssen genutzt werden, um den Unterricht zielgerichtet auf diese persönlichen Stärken auszurichten. Bis 2025 müssen alle Klassen in Deutschland mit Smartboards und alle Schüler ab Jahrgangsstufe 7 mit Tablets oder Laptops ausgestattet werden. Dazu bedarf es einer Weiterbildungspflicht für Lehrkräfte.
• Forschergeist und unternehmerisches Denken müssen zur persönlichen Profilbildung in der Schule gehören.  Hierzu müssen auch die Anforderungen von KMU stärker in der Ausbildung für Fachkräfte berücksichtigt werden, denn Innovationen brauchen Fachkräfte, die sie umsetzen.
• Die Berufsorientierung für Schüler muss besser werden und in allen Schulformen stattfinden. Schon in der Schule muss das Interesse an Handwerks- und MINT-Berufen geweckt und mit Schnuppertagen und verpflichtenden Schulpraktika in typischen Ausbildungsberufen vertieft werden. Ab der achten Klasse (ab 14 Jahren) müssen in allen Schulformen jedes Jahr mindestens fünf Tage schulische Praktika in Ausbildungsberufen absolviert werden. Eltern müssen über die Angebote informiert werden.
• Kinder und Jugendlichen sollen Spaß haben am Groß werden. Deshalb soll die Faszination der Berufswelt Bestandteil der gesamten Bildungskette sein. Es braucht mehr Mut, neue Unterrichtsinhalte einzuführen, um Kompetenzen von Schülern zu fördern.
• Berufsorientierung und Berufsvorbereitung müssen in der Lehrerausbildung verankert werden.
• Früheres Lernen: Viele Probleme gescheiterter Schullaufbahnen werden in den ersten sechs Lebensjahren angelegt. Deshalb sind eine frühere Diagnostik und verbindliche Lernziele bereits vorschulisch im vierten und fünften Lebensjahr notwendig.

2. Berufliche Bildung
Die Lage am Ausbildungsmarkt wird zunehmend zum Geschäftsrisiko der Betriebe. Der volkswirtschaftliche Schaden dieser Fehlentwicklung ist immens. Um dem entgegenzuwirken, ist es notwendig, der beruflichen Bildung wieder einen größeren Stellenwert einzuräumen. Eine Ausbildungsgarantie auf Wunschberufe und einen Rechtsanspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung lehnen wir ab.

Die MIT fordert:
Ruf und gesellschaftlichen Stellenwert der Ausbildung verbessern:

• Verdienst- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie gesellschaftliche Bedeutung von Ausbildungsberufen, insbesondere im Vergleich zu Hochschulstudiengängen, stärker thematisieren und die Gleichwertigkeit herausstellen. Den Deutschen Qualifizierungsrahmen (DQR) wollen wir für den öffentlichen Dienst verbindlich machen.
• Abschlüsse der beruflichen Bildung durch den Ausbau der horizontalen Durchlässigkeit zwischen Fortbildungs- und Studienabschlüssen und die verbesserte Anerkennung von beruflichen Leistungen stärken.
• Berufsabitur in allen 16 Bundesländern einführen.

Auszubildende unterstützen:
• Ausbildungsabbrüchen entgegenwirken durch frühzeitige Berufsorientierungs- und Informationsangebote eine bessere Vorstellung des Berufs- und der Arbeitswelt geben.
• Unterstützungsangebote von Auszubildenden auf kommunaler Ebene fördern, etwa bei der Bereitstellung von Wohnraum, Zentralisierung von Ausbildungsangeboten, Mobilitätsangeboten.

Ausbildungsbetriebe unterstützen:
• Ausbildende Betriebe steuerlich entlasten, etwa durch höhere Abschreibungsmöglichkeiten für Ausbildungspersonal, Lehrmaterial und Aufwand.
• Einsatz von Sozialpädagogen, um die Probleme Heranwachsender besser abzufangen.
Infrastruktur für erstklassige berufliche Bildung stärken:
• Karriereperspektiven der beruflichen Bildung von der Ausbildung bis zur Höhere Berufsbildung aufzeigen
• Ertüchtigung der Infrastruktur von Berufskollegs, überbetrieblichen Bildungsstätten und der Fort- und Weiterbildungseinrichtungen der Wirtschaft stärken.
• Bestehende Infrastruktur von Berufsschulen erhalten und ausbauen.

3. Hochschulbildung und Forschung
Für die nächsten zehn Jahre benötigt es eine klare Strategie für die Zukunft der deutschen Hochschullandschaft. Deutschland ist als rohstoffarmes Land wie kaum ein anderes auf seine Innovationskraft und exportierbaren Spitzenleistungen angewiesen. Beides erfordert Hochschulen in der internationalen Spitzengruppe und exzellente Studien-bedingungen in naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen für Studenten und Lehrer sowie motivierende Gehälter.

Die MIT fordert:
Neben einer angemessenen finanziellen Ausstattung der Universitäten gehört auch wettbewerbs¬fähige Bezahlung zur Verbesserung von Hochschulen. In Investitionen und Forschung muss mehr investiert werden:

• Die Ausgaben in Deutschland für Forschung und Entwicklung (F&E) liegen mit 3,13 Prozent (2020) weiterhin deutlich zu niedrig. Am Ziel, den Anteil der Ausgaben für F&E am BIP bis 2025 auf 3,5 Prozent zu erhöhen, muss unbedingt festgehalten werden.
• Die F&E-Ausgaben müssen die für Deutschland relevanten Schlüsseltechnologien adressieren, was ein systematisches Monitoring (Technology Foresights) und den strategischen Aufbau eines entsprechenden Portfolios erfordert. Der Grundsatz der Technologieoffenheit muss dennoch konsequent beibehalten werden.
• Ermöglichung marktüblicher Bezahlung von Forschern durch Abschaffung des Besserstellungsverbotes gem. § 8 II Haushaltsgesetz sowie Ausweitung des Wissenschaftsfreiheitsgesetz auf gemeinnützige Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen.
• Die Bezahlung sollte an konkrete Leistungen bzw. messbare Erfolge gekoppelt werden. Auch sollen die Bedingungen und die Anreize für die Einwerbung und Nutzung industrieller Drittmittel erhöht werden.
• Unternehmensgründungen sollten unabhängig von der Fachrichtung verpflichtend zum Curriculum gehören.
• Die Praxisorientierung aller angewandten Studiengänge in Deutschland ist durch eine frühe Praxisphase, beispielsweise bis zum 4. Hochschulsemester, verpflichtend sicherzustellen.
• Studierende aus nicht EU/EWR Staaten müssen deutlich an den tatsächlichen Kosten des belegten Studiengangs beteiligt werden, der von deutschen Steuerzahlern getragen wird. Dabei kann man sich an den international üblichen Studiengebühren für ausländische Studenten orientieren.
• Wer im Anschluss an ein erfolgreiches Studium eine qualifizierte Beschäftigung in Deutschland aufnimmt, soll die Studiengebühren dann nachgelagert in der Einkommensteuer geltend machen können.
• Bei einem entsprechenden Bedarf an besonders gefragten Berufen von Studienabgängern, wie Medizinern, die eine Landarzt-Ausbildung anstreben oder Absolventen, die in die industrielle Forschung gehen wollen, muss ein Anreizsystem geschaffen werden, um die Absolventen in diese Berufe zu lotsen.
• Durch Tests eine frühzeitige Orientierung ermöglichen, um die Anzahl der Studienabbrecher zu senken. Die frühzeitige Orientierung trägt zur Verkürzung der Studienzeiten bei und vermindert die Anzahl der Studienfachwechsler.
• Wechsel aus einem Studienfach in ein anderes Studienfach oder in eine Ausbildung sollten als Neuorientierung über eine angelegte Weichenstellung unter Anerkennung von erfolgreich abgelegten Studienleistungen ermöglicht werden.
• Anerkennung von an Hochschulen erbrachten Leistungen durch einfache nachvollziehbare und offene Verfahren.
• Förderung und Unterstützung von Graduate Schools (z.B. Business Schools) mit dem Ziel diese als internationale Leuchttürme zu positionieren, um für ausländische Weiterbildungsinteressierte attraktiv zu sein. Dabei sollten Gebühren (die durch die Studenten getragen werden) nicht als Weg der elitären Abschottung, sondern als Zeichen der Ernsthaftigkeit eingestuft werden.
• Die Angleichung der Anforderungen für ausländische Studenten sollten innerhalb der EU angeglichen werden. Aktuell verzerren nationale Sonderregelungen den Zugang für ausländische Studenten nach Deutschland (z.B. APS-Zertifikate).

4. Nutzung ungenutzter inländischer Potenziale
In den zurückliegenden Jahren ist es gelungen, die Erwerbsbeteiligung durch Renten- und Arbeitsmarktreformen deutlich zu steigern. Es bleiben aber noch immer erhebliche Potenziale ungenutzt. So liegt die Erwerbsquote der Personen im Alter von 55 bis 64 Jahren mit 74 Prozent immer noch deutlich unter der Jüngerer (80%). Eine unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung findet sich außerdem bei Frauen und Personen mit Migrationshintergrund. Hinzu kommt, dass 38 Prozent der Arbeitnehmer nur teilzeitbeschäftigt sind. Ein Potenzial bilden auch Arbeitslose. Würde die Arbeitslosenquote auf Vollbeschäftigungsniveau gesenkt (4%), könnten rund 800.000 Arbeitskräfte aktiviert werden.

Die MIT fordert:
• Angleichung des tatsächlichen an das gesetzliche Renteneintrittsalter durch konsequente Verhinderung von Frühverrentungsmöglichkeiten. Das betrifft das Rentensystem (z.B. Rente mit 63) und die Arbeitsmarktpolitik (z.B. Bürgergeld).
• Das Renteneintrittssalter muss sich mit der steigenden Lebenserwartung entwickeln im Verhältnis 1 zu 2.
• Effizienterer Einsatz von Beschäftigten durch Flexibilisierung der Arbeitszeit. Dabei soll der Rahmen, den die EU-Arbeitszeitrichtlinie bietet, ausgeschöpft werden, auch um den gestiegenen Bedürfnissen der Arbeitnehmer zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Anforderungen an mobiles Arbeiten zu berücksichtigen.
• Aktivierung arbeitsmarktferner Personen durch konsequenteres Fördern und Fordern im Bürgergeld.
• Stärkung der Reintegration von Menschen mit Behinderungen, etwa durch Verbesserung der Hilfsmittelversorgung, beruflichen Rehabilitation oder Möglichkeiten der Arbeitserprobung. Abschaffung des besonderen Kündigungsschutzes für Menschen mit Behinderung bei allen Existenzgründungen in den ersten zwei Jahren sowie bei Kleinbetrieben, die nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, damit es für sie kein Risiko darstellt, Menschen mit Behinderungen einzustellen.

5. Gesteuerte Arbeitsmarktzuwanderung
Nach Inkrafttreten des „Fachkräfteeinwanderungsgesetzes“ wurden im Jahr 2020 rund 30.000 Visa an qualifizierte Fachkräfte und Auszubildende aus Drittstaaten vergeben. 2021 wurden 46.900 ausländische Berufsabschlüsse anerkannt. Dazu ist jedes Jahr eine erhebliche Netto-Zuwanderung in den Arbeitsmarkt erforderlich, um das Erwerbspersonenpotenzial bis zum Jahr 2035 stabil zu halten.

Das aktuell debattierte Punktesystem ist aus Sicht der MIT abzulehnen. Es würde in Deutschland lediglich Ressourcen verbrauchen und neue Bürokratie schaffen. Ein solches System kann sinnvoll sein, wenn es ein Überangebot an geeigneten Fachkräften gibt und es einer Bestenauslese bedarf. In Deutschland ist das nicht der Fall. Stattdessen gibt es bessere Möglichkeiten für ein zielgerichtete Steuerung der Arbeitskräftezuwanderung.

Die MIT fordert:
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz muss praxisorientiert weiterentwickelt werden:
• Deutschland muss seine Anstrengungen zur gezielten Anwerbung von internationalen Fachkräften massiv ausbauen: Konsulate müssen zu öffentlichen Anwerbestellen werden, Goethe-Institute und andere Sprachschulen, die deutsche Steuermittel erhalten, sollen in den Förderbedingungen Vorgaben zur Anwerbung von Arbeitskräften bekommen. Sie sollen außerdem in Kooperation mit Kammern und Wirtschaftsverbänden gezielt für eine Ausbildung in Deutschland werben.
• Der Erwerb deutscher Sprachkenntnisse muss schon im Ausland stärker gefördert werden. Die Mindestanforderungen, die für eine gelungene Integration in Deutschland notwendig sind, müssen bestehen bleiben. Dabei sollen die von deutschen Steuergeldern finanzierten Auslandsschulen und Goethe-Institute verstärkt auf die Vermittlung berufsorientierter Deutsch-Kenntnisse verpflichtet werden. Auch nach Ankunft der Fachkraft in Deutschland muss die Förderung der Sprachkenntnisse fortgesetzt werden.
• Wir wollen die Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen vereinfachen und beschleunigen.
• Auch ohne anerkannten Berufsabschluss sollen eine Einwanderung und Beschäftigung möglich sein, wenn der Arbeitgeber eine Bürgschaft für den ausländischen Beschäftigten übernimmt. Unser grundsätzliches Ziel ist ihre weitere Qualifizierung möglichst bis zu einem Berufsabschluss.
• Ausbau der Beratung und Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte.
• Die Vergabe von Aufenthaltstiteln für Ausbildung, Studium und Beschäftigung in Deutschland muss zentral von einer Bundesbehörde durchgeführt werden. Die kommunalen Ausländerbehörden sind mit dieser bedeutenden nationalen Aufgabe teilweise überfordert.
• Die Möglichkeit für beschleunigte Fachkräfteverfahren („Fast Track“) sollten ausgebaut werden.

Visa-Verfahren optimieren
Das Auswärtige Amt muss die Visa-Verfahren optimieren. Hochqualifizierte und dringend benötigte Kräfte dürfen nicht monatelang auf einen Termin zur Visavergabe warten. Die Daten zu Visa-Verfahren (Anzahl, Dauer, Annahme/Ablehnung) sollen pro Konsulat evaluiert und veröffentlicht werden.

Weitere Forderungen der MIT:
• Vermittlungsabsprachen auf möglichst viele geeignete Staaten ausdehnen.
• Die Westbalkanregelung hat sich als Sonderregelung bewährt und muss für eine festgelegte Anzahl von Fach- und Arbeitskräften insbesondere auf den Kreis der EU-Beitrittskandidaten ausgeweitet werden.
• Das Verbot, Arbeitnehmer im Nicht-EU-Ausland für den Einsatz in der Zeitarbeit zu rekrutieren, sollte abgeschafft werden. Gerade in Zeiten wirtschaftlichen Umbruchs erfüllen Zeitarbeitsunternehmen eine bedeutende volkswirtschaftliche Funktion. Das Aufenthaltsgesetz verbietet der Zeitarbeit weitgehend die Rekrutierung von Personen aus Nicht-EU-Ländern. Personaldienstleister könnten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte übernehmen. Dazu muss das Zustimmungsverbot nach § 40 Absatz 1 Nummer 2 des Aufenthaltsgesetzes gestrichen werden. Auch das generelle Zeitarbeitsverbot in der Baubranche muss in diesem Zuge aufgehoben werden, weil es überholt und kontraproduktiv ist.
• Die mit dem FEG eingeführten Aufenthaltstitel zum Zwecke der Ausbildungsplatzsuche (§§ 16, 16a und § 17 AufenthG) werden kaum genutzt. Angesichts der Bedeutung der beruflichen Ausbildung für die zukünftige Fachkräftegewinnung sollten die bestehenden Regelungen deutlich attraktiver ausgestaltet werden, um die Zahl von jungen Drittstaatsangehörigen, die eine duale Ausbildung in Deutschland absolvieren möchten, nachhaltig zu steigern. So sollte ein zum DAAD-Stipendienprogramm für junge ausländische Akademiker vergleichbares Förderinstrument im Bereich der beruflichen Ausbildung eingeführt werden.
• Zuwanderung muss dem Arbeitsmarkt zugutekommen und darf nicht in den Sozialsystemen enden. Jeder Fehlanreiz ist deshalb zu beseitigen. Deshalb soll eine verstärkte Nutzung des Sachleistungsprinzips bei Asylbewerbern und Flüchtlingen bis zur verfassungsrechtlich zulässigen Grenze vorgeschrieben werden.
• Es benötigt „Kurze Wege“ / Visaerleichterungen für ausländische Akademiker mit Berufserfahrung, die in den deutschen Arbeitsmarkt streben und dies über ein deutsches Masterprogramm beginnen wollen. Es fehlt eine hinreichende Betrachtung von Aus- und Weiterbildungen. Der Visa-Prozess ist zu undifferenziert.
• Ausweitung der Visamöglichkeit auch für berufsbegleitende Studienprogramme (wie z.B. den Part-Time MBA), damit berufserfahrenen Akademikern aus „Niedriglohnländern“ die Möglichkeit für ein Studium gegeben wird.
*) aus einem Beschlußpapier der Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU (MIT)


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P O L I T-S P L I T T E R
Gendersprache

Niemand kann richtig gendern
Der Linguist Josef Bayer erklärt in einem Gastbeitrag in der Welt, warum niemand richtig gendern kann, selbst wenn er sich noch so bemüht. Legt man für ein Gespräch die Forderung des Sprachphilosophen Paul Grice zugrunde, muss die angemessene Menge an Informationen geliefert werden, die für den Zweck der Kommunikation nötig ist. Die Doppelnennung („Bürgerinnen und Bürger“) sei daher in einer Anrede für die Anwesenden nachvollziehbar, bei einer Benennung von Gruppen jedoch überflüssig, da jedem klar sei, dass eine Gruppe von Menschen alle Geschlechter beinhalte. Die Idee, dass Gendern durch eine Doppelnennung sprachliche Gerechtigkeit herstelle, scheitere an der Zeit, die Sender und Empfänger haben, daher passen sie ihr Sprachtempo an. Das wiederum sorge dafür, dass Endungen verschwinden, wie man es täglich in Radio- und TV-Sendungen erlebt: „Durch sogenannte Schwa-Tilgung – Schwa ist phonetisch das dem unbetonten e entsprechende schwachtonige ə – wird aus Bürgerinnen dadurch Bürgerinn‘n“, so Bayer. Das komme wegen des erhöhten Sprechtempos beim Hörer statt einer echten Doppelnennung wie „Bürgern und Bürger“ an. Auch die Partizipkonstruktion, zu der dann gerne gegriffen würde, sei keine Lösung: „Ein Trinker ist bekanntlich jemand anders als ein Trinkender, also jemand, der gerade ein Getränk zu sich nimmt.“ Spätestens im Plural könnte das Gendern dann nicht mehr durchgehalten werden. (welt.de (Bezahlschranke))

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Verminte Sprache
Was Gendern überhaupt bringt, fragt in der Süddeutschen Zeitung Hilmar Klute. Der Streit ums Gendern sei vermutlich deswegen so hart, weil zwar die Sprache verändert werde, sich aber nichts an den Verhältnissen ändere, zu deren Veränderung es genutzt werde. Das Gendern sei problematisch, weil es eben eine „nur zum Teil auf Vorstufen beruhende und auf sprachlichen Gewohnheitspfaden entstandene Verständigungsform" sei. Sie werde meist angeordnet: in Schulen, Verwaltungen und Ministerien. Das Gendern sei aus Resultaten akademischer Experimente entstanden, die in den meisten Fällen nicht in die Sprache übergegangen seien. Der Glottisschlag, also die kurze Pause vor einem -innen, löse immer noch Befremden aus, selbst bei jenen, die dem Gendern eher wohlwollend gegenüberstehen. Dazu klinge es meist bürokratisch. Mitbewohnende, Zufußgehende und Radfahrende seien, so scheint es, „keine realen Personen, sondern lediglich Eigenschaftsträger“. Dort, wo die Sprache durch Gendern erweitern und einschließen solle, würde sie den Gebrauch eher verengen: „Man kann an ihr schrauben, wie man Lust und Zeit hat, irgendeine Gruppe wird wohl immer unberücksichtigt bleiben.“ Genderbefürworter sähen die Sprache vermint, nur Sternchen und andere Zeichen könnten sie gefahrlos benutzbar machen, so Klute. (sueddeutsche.de (Bezahlschranke))

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Ungefragt gegendert
An der Züricher Hochschule sind Texte von Wissenschaftlern ohne ihr Einverständnis gegendert worden. Professoren des ZHAW-Instituts für Mechanische Systeme hatten festgestellt, dass auf deren Internetseite Genderkorrekturen vorgenommen worden waren. Diese waren laut Weltwoche offensichtlich von höherer Stelle und entsprechend dem „Leitfaden für inklusive Sprache“ der ZHAW angeordnet worden.
Die Institutsleitung war darüber nicht informiert, einige Professoren zeigten sich entsetzt, zumal die Originaltexte den geltenden Regeln der deutschen Sprache entsprachen. Therese Schläpfer, SVP-Nationalrätin, will dagegen vorgehen und hat eine parlamentarische Initiative eingereicht:
Den vom Bund finanzierten Technischen Hochschulen von Zürich (ETHZ) und Lausanne (EPFL) soll es gesetzlich verboten werden, eine neue Gendersprache einzuführen. Stattdessen sollten sie sich auf die Studienfächer konzentrieren und ihren Basisauftrag der Bildung wahrnehmen. (weltwoche.ch)

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Trans Frau: Gendern ist Quatsch!
Die Bild berichtet über eine trans Frau, die das Gendern unmißverständlich ablehnt.

„Gendern geht viel zu weit und ist Quatsch! Die Aktivisten erweisen uns noch dazu einen Bärendienst. Wir wollen akzeptiert und respektiert werden. Stattdessen wird die Stimmung dadurch nur aggressiver“,
so die trans Frau im Interview. Sie möchte „als Frau gesehen werden und nicht mit Sternchen und Zwangspausen angesprochen werden“. Gendern sei exklusiv und spalte die Gesellschaft. Viele andere trans Menschen, die sie kennt, würden es genauso sehen, aber nicht laut aussprechen wollen – aus Angst vor den „Woke-Wahnsinnigen.“ (bild.de)

(Anmerkung: Wir schreiben „trans“ klein. Sowohl das DWDS als auch der Duden führen es als indeklinables Adjektiv. Die Schreibweise entspricht dem von trans Menschen regelmäßig formulierten Wunsch, den der VDS fortan respektiert.)

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Fürs Gendern streiken
Bei Twitter zeigt sich die SWR/WDR-Journalistin Monika Kopahl besonders arbeitnehmernah. Sie sagt, sie habe schon häufiger gehört, daß „Journalist*innen-Kolleg*innen“ verboten würde, zu gendern:

„Was sagen denn da Gewerkschaften wie @djuverdi? Sind das nicht #Rechte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, für die es sich zu #streiken lohnt?“

Ein Streik also für nicht-normgerechte Sprache, darauf muß man auch erst mal kommen. Das ist in etwa so, als wolle man für das Recht streiken, bei Rot über eine Ampel zu fahren. Warum auch nicht, schließlich ist das Recht auf Fortkommen ja gegeben. Die Reaktion der Twitter-Welt ließ nicht lang auf sich warten.

@LandmannHein gab den Ratschlag: „Als Journalist hast Du das Recht, dich an die geltenden Rechtschreibregeln zu halten. Das Recht, deiner Leser von oben herab zu belehren, hast Du indes nicht.“ @GodenrathK zeigte sich irritiert: „Wofür wollen Sie streiken? Für das Recht, geltende Rechtschreibregeln zu negieren?“

Der VDS empfahl Kophal ein Streik-Schild mit der Aufschrift „Ich will falsch schreiben dürfen.“ Service. Können wir. (twitter.com/mkophal)

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Denglisch

Kommentar des VDS *): „Merkwürdig, alles auf Englisch“
Der Verein Deutsche Sprache (VDS) entstand dereinst aus Verwunderung darüber, daß die Plakatwerbung eines deutschen Weltkonzerns zwar in jedem Land des Globus in der Landessprache stattfand, nur nicht in Deutschland: Hier wurden die Sprüche auf Englisch geklopft. Irgendwie peinlich. Bald erhärtete sich der Verdacht: Wer nichts zu sagen hat, sagt es auf Englisch.

Zumindest dient Englisch fast immer als Hinweis, daß wenig durchdacht ist, was da gesagt wird. Seit sich maßloses Gendern verbreitet, wird der Verdacht bestätigt: Der Gebrauch gewisser Schlüsselwörter geschieht vorzugsweise – auf Englisch. Seltsam. Vielleicht ist das wie bei Texten der Popmusik. Was man nicht versteht, hört sich gut an. Oder belegt es weiterhin das vergebliche Bemühen, der deutschen Geschichte zu entkommen, indem man die deutsche Sprache für sie verantwortlich macht? (Autor: Oliver Baer)

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Gen Z und die Anglizismen
Zur „Generation Z“ zählt, wer zwischen Mitte der 1990er und 2010er Jahre geboren ist. In Deutschland gilt das für rund 14 Prozent der Gesamtbevölkerung, also etwa 12 Millionen Menschen, aus. Bezeichnende Merkmale der „Gen Z“ seien die Allgegenwärtigkeit des Internets und der digitalen Technologie sowie die vermehrte Verwendung von Anglizismen.

Supertipp-online.de faßt einige der wichtigsten Anglizismen der Generation Z zusammen:
Der Begriff „Cancel Culture“ („Löschkultur“) beziehe sich auf die Praxis, Personen und Organisationen wegen anstößigem oder beleidigendem Verhalten öffentlich anzuprangern. Betroffenen werde zumeist die Anerkennung verweigert.

„FOMO“ stehe für „fear of missing out“, also die Angst etwas zu verpassen oder nicht mithalten zu können. „Gen Z“ verwende diesen Begriff zumeist in Bezug auf Beiträge in den sozialen Medien; dort ist zu sehen, wie Freunde oder Bekannte an Veranstaltungen und Reisen teilnehmen oder Entdeckungen von Ereignissen und Meilensteinen teilen.

„Gaslighting“ stamme aus dem englischen Theaterstück „Gas Light“ von 1938. Mit „gaslighting“ beschreibe die Generation Z eine Art emotionale Manipulation, durch die das Vertrauen, die Wahrnehmung oder Erinnerung durch Lügen, Verleumdung und Verzerrung beeinflusst werden.

Laut Experten der Arag-Versicherung habe die mentale und körperliche Gesundheit für „Gen Z“ einen hohen Stellenwert. „Ghosting“ und „red flag“ werden vor allem bei der Partnersuche verwendet. „Ghosting“ bezeichnet den plötzlichen Kontaktabbruch. Anrufe und Nachrichten bleiben beim „ghosting“ unbeantwortet und man wird im übertragenen Sinne zum „ghost“ (Geist). Die „red flag“ stamme ursprünglich aus der Sportwelt. Durch das Hissen der roten Flagge werden Wettbewerbe unterbrochen oder beendet. In Beziehungen drückt die „red flag“ Verhaltensweisen oder Situationen aus, die ein potenzielles Risiko oder Problem darstellen. (supertipp-online.de)

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
das mag für heute genügen.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Nächsten einen sonnigen Mai, zudem den Schutz Gottes und, wie stets an dieser Stelle, uns allen eine bessere Politik.
Mit herzlichen Grüßen und bestem Dank für Ihre Treue,
Ihr
Peter Helmes
Hamburg, 10. Mai 2023
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