Massenhafte Einwanderung von Judenhassern  –  Das Ende der großen Illusionen
Von Peter Helmes

Es brauchte ein Massaker in Israel, um Deutschland klarzumachen, daß massenweise Antisemiten ins Land kamen. Die Russland-Diplomatie ist mit dem Krieg in der Ukraine gescheitert. Nun zeichnet sich in der Asylpolitik die Zeitenwende 2.0 ab. Muslimische Migranten wurden lange verklärt, nun wird vor Judenhassern gewarnt.

Es ist eine Kernfrage der Sicherheit: Nach dem Angriff der Hamas auf Israel kam es auch in Europa auf Demonstrationen zu gewalttätigen Ausschreitungen. Wenn in Deutschland 85 Jahre nach der Kristallnacht ein antijüdischer Mob in Berlin durch die Straßen zieht, muß das alle verstören, die durch die von Putin und der Hamas ausgelöste Welle der Gewalt nicht abgestumpft sind. Nie wieder? Der Wahlspruch der Vergangenheitsbewältigung wurde in den letzten Wochen gründlich widerlegt.

Wenn in Frankreich zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre ein junger Muslim einen Lehrer mit dem Messer absticht wie ein Stück Vieh, dann sollte das alle wütend machen, die vor den Zuständen in den französischen Migrantenghettos nicht kapitulieren wollen. Die Werte der Aufklärung gelten im Mutterland der Aufklärung nicht mehr viel.

In Belgien ermordete ein tunesischer Islamist zwei schwedische Fußballfans. Wer angesichts der vielen schlechten Nachrichten nicht resigniert, muß sich jetzt eingestehen, daß ein Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik überfällig ist. Bis jetzt wird die Einwanderung aus Drittstaaten außerhalb Europas als humanitäres und moralisches Problem gesehen. Ihre Regulierung ist unterdessen jedoch eine der zentralen Sicherheitsfragen, genauso wie militärische Sicherheit oder Energiesicherheit.

In Deutschland ist die Situation eskaliert – Merkel hat ganze Arbeit geleistet
Der Islam gehört zu Europa, doch in einem anderen Sinn, als die Apologeten der multikulturellen Harmonie dies glauben. Millionen friedlicher Muslime gehören zu Europa, das muß man immer wieder betonen, aber auch Terrorismus und Extremismus des Nahen Ostens. Das alles läßt sich nicht trennen, obwohl man natürlich am liebsten klar unterscheiden würde zwischen der übergroßen Gruppe der unbescholtenen Migranten und denen, die Gewalt ausüben oder billigen.

Wie schwierig das ist, zeigen die Demonstrationen, in denen sich Abertausende von Muslimen mit der Hamas und ihren Greueltaten solidarisieren. Die wenigsten dürften überzeugte Islamisten sein, und doch skandieren sie Parolen, als gingen sie in Teheran oder Beirut auf die Straße. Sie werden aufgehetzt von islamistischen Organisationen wie den Muslimbrüdern, die der Hamas nahestehen. Auf den Protest folgen Bombendrohungen wie in Frankreich, wo Flughäfen, Schulen und selbst das Schloß Versailles geräumt werden mußten. Irgendwann schlägt dann ein Attentäter zu.

Die Migration ist ein besonderes Sicherheitsrisiko, weil sich hier verschiedene Faktoren mischen. Ausgangspunkt sind meist ein Fanatismus und eine latente Gewaltbereitschaft, die selbst oberflächlich gut integrierte Einwanderer aus ihren von Konflikten heimgesuchten Heimatregionen einschleppen. Da genügt ein Funke wie der Gazakrieg, und das Gebräu aus Ressentiments, mangelnder politischer Bildung sowie prekärem sozialem Status explodiert.

„Willkommen Judenhasser“
Das Verrückte an der Willkommenskultur von 2015 war, daß viele Deutsche das Problem nicht gesehen haben. Innerhalb kurzer Zeit ersuchten Hunderttausende Syrer um Asyl, und das vorherrschende Gefühl war: Euphorie. Deutschland half, Deutschland war human. Fast alle wußten, daß das richtig war. Die Politiker parteiübergreifend, die Medien und Kirchen sowieso. Und die bedingungslose Aufnahme von so vielen Menschen schien nicht nur moralisch richtig zu sein, sondern auch noch nützlich. Denn schon zeichnete sich mit den neuen Arbeitskräften das „nächste deutsche Wirtschaftswunder“ ab. Eine massenhafte Migration aus dem Nahen Osten war nicht nur kein Problem, es galt als die Lösung aller Probleme.

Mahnende Stimmen gab es schon damals, aber für diese hatten die Berliner Politiker wenig Gehör. „Die Leute standen letztes Jahr mit Plakaten in München, auf denen ´Willkommen` stand“, sagte der niederländische Autor Leon de Winter 2016 in einem Interview. „Richtigerweise hätte es heißen müssen: „Willkommen . . . Judenhasser“.

Eine Regierung wacht auf
Acht Jahre nach der Flüchtlingskrise scheint Deutschland allmählich aufzuwachen. Wie schon beim Umdenken in der Putin-Diplomatie brauchte es auch jetzt ein schreckliches, gewaltsames Ereignis. Erst die russische Invasion in der Ukraine führte dazu, daß  Deutschland seine Energiepolitik und einen fahrlässigen Pazifismus kritisch hinterfragte. Nun waren es Hamas-Terroristen, die deutsche Politiker nachdenklich stimmten: Nachdem Mitglieder der Hamas über tausend israelische Zivilisten mißhandelt, getötet und entführt hatten, verteilten Männer im Multikulti-Traumbezirk Neukölln Süßigkeiten, um den Terror gegen die Juden zu feiern. Seither finden in der deutschen Hauptstadt bewilligte und unbewilligte Demonstrationen statt, bei denen Muslime zusammen mit Linksextremen den Terror gegen Israel verherrlichen und sich selbst als Opfer inszenieren.

Unter dem Eindruck dieser Ereignisse und seiner Israel-Reise verkündete der deutsche Kanzler im „Spiegel“: „Wer Juden angreift, wer sie beleidigt oder verletzt, greift uns alle an“.

Die irreguläre Migration müsse begrenzt werden, es kämen zu viele. Und: „Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“

Fast zeitgleich erklärte Friedrich Merz, der CDU-Oppositionsführer, in einem Interview der NZZ: „Wir müssen in unserer Migrations-, aber auch in unserer Integrationspolitik umdenken. Das ist unvermeidlich. Ich bedauere sehr, daß erst der eingewanderte Antisemitismus zu dieser Erkenntnis führt. Aber wir sind an dem Punkt, wo es nicht mehr anders geht.“ Flüchtlinge aus dem Gazastreifen könne Deutschland keine aufnehmen: «Wir haben genug antisemitische junge Männer im Land.»

Daß führende deutsche Politiker in dieser Deutlichkeit eine Verbindung zwischen muslimischen Einwanderern und Antisemitismus herstellen, ist neu. Dasselbe gilt für die energische Ankündigung, Migration zu beschränken. Sowohl Scholz als auch Merz wollen der Öffentlichkeit weismachen, ihre Statements seien ganz normal, ja stünden sogar in einer politischen Kontinuität. Scholz: „In all meinen Ämtern habe ich immer so gedacht. Und auch gesprochen.“ Wenn es so wäre, man hätte es nicht wahrgenommen. Tatsächlich kommen die Statements einer Zeitenwende in der deutschen Asylpolitik gleich – und diese ist nötig, will Deutschland nicht in französische Verhältnisse abdriften und seiner historischen Verantwortung gegenüber Israel auch in Zukunft gerecht werden.

Auf der Suche nach Erlösung
In Deutschland ist eine verständliche und gleichermaßen seltsame Vorstellung verbreitet, wonach Antisemitismus eine exklusive Spezialität von deutschen Rechtsradikalen ist. Was Leon de Winter drastisch ausgedrückt hat, wollten viele Deutsche bisher kaum wahrhaben. Auch Ausländer können Rassisten und Antisemiten sein. Und wenn Islam-Experten wie Bassam Tibi unermüdlich erzählt haben, daß Judenhaß die Hintergrundmusik ihrer arabischen Kindheit gewesen sei, schien man dies nicht hören zu wollen. Eher verfing die Idee radikaler Muslime, wonach sie die neuen Juden seien. Diese Opfer-Rhetorik hat auf die Deutschen eine einschüchternde Wirkung entfaltet. Umso mehr, als die Gesellschaft immer noch stark geprägt ist vom Bewußtsein ihrer historischen Schuld. Es brauchte ein Massaker in Israel, um der deutschen Öffentlichkeit klarzumachen, daß immer noch die Juden die Juden sind.

Warum scheint Deutschland so anfällig für politische Irrungen und Wirrungen? Warum will das Gute, das die deutsche Politik anstrebt, oft doch nicht gelingen? Vielleicht weil die deutsche Politik so idealistisch aufgeladen ist; weil die Deutschen zwar glauben, sie würden pragmatisch handeln, aber instinktiv doch immer auf der Suche nach der eigenen Erlösung sind.

Ein schmales Bändchen von Hans Magnus Enzensberger wirkt wie ein Kommentar zur Zeit oder gar wie ihre Vorwegnahme, manche Essays sind über dreißig Jahre alt. In „Die Große Wanderung“ schreibt Enzensberger: „Nirgends wird die universalistische Rhetorik höher geschätzt als hier. Die Verteidigung der Einwanderer tritt mit einem moralischen Gestus auf, der an Selbstgerechtigkeit nichts zu wünschen übrigläßt. Losungen wie „Ausländer, laßt uns nicht mit den Deutschen allein!“ oder „Nie wieder Deutschland“ zeugen von einer pharisäerhaften Umpolung.“

Zwischen den 1930er Jahren und der Flüchtlingskrise von 2015 liegen viele Jahrzehnte, und doch ist es interessant, daß man ausgerechnet Deutschland wie kein anderes Land mit Fremdenhaß und Fremdeneuphorie in Verbindung bringt – von Frankreich spricht in diesem Zusammenhang niemand. Von außen betrachtet, wirkt unser Land in der europäischen Mitte in einem permanenten Ungleichgewicht, auf der ständigen Suche nach sich selbst. Weltkrieg oder Weltrettung.

Predigen hilft nicht immer
Daß eine grenzenlose Asylpolitik nicht funktionieren würde, war Enzensberger schon 1992 klar. „Wer seine Landsleute auffordert, allen Mühseligen und Beladenen der Welt eine Zuflucht zu bieten, womöglich unter Berufung auf kollektive Verbrechen, die von der Eroberung Amerikas bis zum Holocaust reichen, ohne Folgenkalkül, ohne politische und ökonomische Vermittlung, ohne Rücksicht auf die Realisierbarkeit eines solchen Vorhabens, macht sich unglaubwürdig und handlungsunfähig“, schreibt er und fügt hinzu: „Tiefgreifende gesellschaftliche Konflikte können nicht durch Predigten abgeschafft werden.“

Genau dies ist die deutsche Regierungstaktik bis heute: Predigerhaft wird die Bevölkerung auf die hehren Ziele eingeschworen. Sowohl die Politik als auch der Politikstil stoßen aber zunehmend an Grenzen.

Abschied von moralischen Allmachtsphantasien
In „Aussichten auf den Bürgerkrieg“ schreibt Enzensberger, daß es an der Zeit sei, sich von „moralischen Allmachtsphantasien“ zu verabschieden. Auf Dauer komme kein Gemeinwesen darum herum, die Abstufungen seiner Verantwortung zu prüfen und Prioritäten zu setzen.

„Für die Deutschen muß es heißen: Nicht Somalia ist unsere Priorität, sondern Hoyerswerda und Rostock, Mölln und Solingen. Dazu reichen unsere Handlungsmöglichkeiten, das ist jedem Einzelnen zuzumuten, dafür haben wir zu haften.“

Ein Sozialstaat, der nachhaltig funktionieren soll, kann nicht der ganzen Welt offenstehen. Der Wille von Zuwanderern, sich zu integrieren, ist begrenzt, auch aufgrund von Diskriminierungserfahrungen. Ebenso begrenzt ist der Wille der Mehrheitsgesellschaft, Fremde aufzunehmen.

Enzensberger bietet keine praktischen Handlungsanleitungen, aber einen klaren, unbestechlichen Blick. In einem dritten Essay, „Schreckens Männer“, analysiert er auch den islamistischen Terror, deren Ursache er in einer kollektiven narzißtischen Kränkung der arabischen Welt sieht. „Hätte ein Araber im 18. Jahrhundert die Dampfmaschine erfunden, sie wäre nie gebaut worden“, zitiert Enzensberger aus einem Text von Rudolph Chimelli. Die Wissenskultur sei völlig ins Hintertreffen geraten, ökonomisch hätten die arabischen Länder jenseits vom Rohstoffhandel nichts zustande gebracht. Es bestünde eine vollständige ökonomische, technische und intellektuelle Abhängigkeit vom Westen, der für die Betroffenen schwer zu ertragen sei. „Jeder Kühlschrank, jedes Telefon, jede Steckdose, jeder Schraubenzieher, von Erzeugnissen der Hochtechnologie ganz zu schweigen, stellt daher für jeden Araber, der einen Gedanken fassen kann, eine stumme Demütigung dar.“

Die kollektive Gekränktheit der Araber
Explosiv wird diese Demütigung insbesondere in Kombination mit dem islamistischen Selbstbild einer Suprematie über andere Gesellschaften. Die Folge davon ist die narzißtische Kränkung. Entsprechend sensibel und reizbar sind die Islamisten unterwegs, was sich in auffälligen Doppelstandards zeigt, wie Enzensberger veranschaulicht: „Wenn Ariel Sharon gezeigt wird, wie er mit einer Axt in der Form eines Hakenkreuzes palästinensische Kinder schlachtet, so ist das normal; umgekehrt zeigt sich die arabische Welt gekränkt, wenn sich irgendein Karikaturist über sie lustig macht. Der Bau von Moscheen auf der ganzen Welt wird als unveräußerliches Recht in Anspruch genommen; der Bau von christlichen Kirchen ist in vielen arabischen Ländern undenkbar. Die Glaubenspropaganda der Muslime ist heiliges Gebot, die Mission anderer Religionen ein Verbrechen.“ Haßprediger fordern die Meinungsfreiheit ein, deren Abschaffung ihr Ziel“ sei.

Es sind Pauschalisierungen, klar, die vor zwei, drei Jahrzehnten vielleicht auch noch eher gesellschaftsfähig waren. Selbstverständlich gibt es viele arabische Muslime, die sich erfolgreich in westliche Gesellschaften integrieren. Daß sie es mit ihrem kulturellen Background aber viel schwerer haben als andere Einwanderer, ist offensichtlich. Auch das wollte Deutschland nicht wahrhaben.

Asylpolitik ist keine Selbsthilfe
Ein Land, das Flüchtlinge aufnimmt, um weniger sich selbst sein zu müssen, hat das falsche Motiv. In der Asylpolitik kann es nicht um deutsche Selbsthilfe gehen. Diese Selbsthilfe macht blind für die Probleme. Dessen ungeachtet bleibt die Frage: Wie will eine Gesellschaft, die ein unsicheres Identitätsgefühl hat, eine muslimische Männerkultur integrieren, die an einem kollektiven Minderwertigkeitskomplex leidet? Ohne klares Identitätsangebot und den Willen, eigene Werte als verbindlich zu erklären, kann es sich das Land auch schwer leisten, judenfeindliche Asylsuchende in einer großen Zahl aufzunehmen. Zumindest dann nicht, wenn das Land seine historische Schuld und den Grundsatz „Israel ist Staatsräson“ auch in Zukunft ernst nehmen will.

Verbote statt Aufklärung
Es fehlt ganz offensichtlich an Aufklärung – besonders bei jungen Menschen. Man räsonierte und schwadroniert über „die Lage“, aber über die Lage an den Schulen schweigt man lieber. Die Wurzel des Problems anzugehen und für Prävention zu sorgen, also für ein echtes „Nie wieder!“, das scheint derzeit nur auf wenigen Sprechzetteln zu stehen.

Warum das so ist? Die Politik, ob auf Landes- oder Bundesebene, kennt ihre Verfehlungen. Viele deutsche Schulen sind heruntergewirtschaftet, die Gebäude marode, die Ausrüstung schlecht, die Lehrer und ihre Helfer überlastet und schon lange am Ende ihrer Nerven. Lange hat die Politik Schulen, Lehrer und Kinder im Stich gelassen. Sie haben eine schwache Lobby im Bundestag, ihre Probleme sind zudem kostenintensiv. Und zu stark hängen die Probleme zusammen: Der Lehrermangel greift in jeden Bereich ein, macht spontane Umstellungen im Stundenplan an vielen Schulen unmöglich.

Also arbeitet man auch hier wieder mit Verboten statt Aufklärung. So wie Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch.
Die CDU-Politikerin schrieb in der vergangenen Woche einen langen Brief an Schulleitungen in der Hauptstadt. Darin erklärte sie, welche Handlungen und Outfits an Berliner Schulen nun untersagt sein können, wenn die Direktoren es wollen: Aufkleber mit dem Spruch „Free Palastine“; Kleidungsstücke wie das Palästinensertuch; bestimmte Meinungsäußerungen oder Gesten. Auch die Nutzung von Mobiltelefonen könne temporär für alle Schüler einer Schule untersagt werden.

Erst am Ende ihres Briefes schreibt Günther-Wünsch: "Wir müssen den Kindern und Jugendlichen auch erklären, warum sie diese Symbole nicht zeigen sollen, und mit ihnen ins Gespräch über ihre Gefühle, Gedanken und Informationsquellen kommen (...)"

Daß das der erste und nicht der zweite Schritt sein müßte, dürfte wohl jedem aufgehen.
Das aber kostet Zeit, Verständnis, Zuwendung. Ressourcen, die es an Deutschlands Schulen oftmals nicht mehr gibt.

Doch die Sicht von Kindern und Jugendlichen auf den Nahostkonflikt, ihre Ängste und Sorgen, die Probleme der Lehrkräfte: Sie gehören jetzt ganz oben auf die Prioritätenliste der Politik. Diese soziale Bombe tickt schon lange – und Scholz muß sie dringend entschärfen, will er sein richtiges und wichtiges Versprechen halten, das er erst vor wenigen Tagen bei einer Rede in Dessau wieder erneuerte: ein sicheres Deutschland für Juden und alle anderen Minderheiten. Ein Kampf gegen Antisemitismus, ob er von links oder rechts kommt, ob er in Deutschland oder in anderen Ländern gewachsen ist.

EU-Gipfel ringt um Worte
„Wie groß die Macht der Worte ist, wird selten recht bedacht", schrieb der Dramatiker Friedrich Hebbel schon 1838. Für den EU-Gipfel, bei dem sich seit Donnerstagnachmittag letzter Woche (26.10.) Kanzler Scholz und die 26 anderen Regierungschefs trafen, gilt dieser Satz nicht. Dort wurde nicht nur um Worte, sondern sogar um einzelne Buchstaben heftig gestritten.

Grund war die Abschlußerklärung des Gipfels zum Nahostkonflikt. Sie sollte eine gemeinsame Linie der EU-Länder zum Krieg zwischen Israel und der Hamas formulieren. Lange wurde sie diskutiert, am späten Donnerstagabend schließlich wurde sie verabschiedet. Die EU-Staaten fordern darin nun humanitäre Feuerpausen und geschützte Korridore für sichere Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Es brauche einen kontinuierlichen, schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für Hilfslieferungen.

Der Grund: Die Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Die Hamas feuert Raketen nach Israel, Israel wiederum attackiert Stellungen der Hamas in Gaza. Die Versorgung für die zivile Bevölkerung ist so zum großen Teil abgeschnitten. Hilfsorganisationen zufolge mangelt es an Medikamenten, Trinkwasser, Lebensmitteln, Kleidung – also an so ziemlich allem. Und mit jedem Tag wird die Lage schlimmer.

Die Erklärung aber sorgte in den vergangenen Tagen für Diskussionen und Differenzen. Im ersten Entwurf schlug EU-Ratspräsident Charles Michel noch vor, eine „humanitäre Pause" zu fordern, um „einen sicheren Zugang für humanitäre Hilfe zu ermöglichen". Die Vereinten Nationen fordern nicht nur eine Feuerpause, sondern einen noch weitergehenden Waffenstillstand.

Länder wie Deutschland, Österreich und Ungarn aber sprachen sich klar dagegen aus, daß  sich die EU den Aufrufen nach einer Waffenruhe öffentlich anschließt. Sie wollen Israel nicht brüskieren, dessen Bewohner von der Hamas getötet und entführt wurden und das aus ihrer Sicht alles Recht hat, sich nun zu verteidigen. Nicht nur Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) argumentiert, ein solcher Vorstoß sei angesichts des anhaltenden Terrors der Hamas unangemessen.

Länder wie Spanien oder Irland setzen sich hingegen wegen der vielen zivilen Opfer bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen für einen solchen Aufruf ein. Sie argumentieren, daß die von Israel ausgehende Abriegelung des Gazastreifens klar gegen das Völkerrecht verstößt.

Die Lösung ist ein klassischer Kompromiß: In der finalen Erklärung ist nun nicht mehr von einer „humanitären Pause“ die Rede, sondern von „Pausen“ und „Korridoren“ – im Plural. So soll es weniger nach einer großen Waffenruhe klingen als vielmehr nach zahlreichen kleineren Maßnahmen.

Das Gesetz zur erleichterten Abschiebung ist eine Mogelpackung
In Krisen blüht das markige Wort. Politiker wollen dem Wähler als Macher, nicht als vom Schicksal Getriebene erscheinen. Ertönt jedoch aus dick aufgeblasenen Backen nur ein dünner Pfiff, schrumpft der vermeintliche Macher zum Schaumschläger. So erging es nun dem Kanzler.

Olaf Scholz hatte erklärt, abgelehnte Asylbewerber künftig „in großem Stil“ aus Deutschland abschieben zu wollen. Seine Innenministerin präsentierte daraufhin ein Bündel minimalinvasiver Maßnahmen, die in ihrem grotesken Mißverhältnis von Aufwand und Ertrag zeigen: Die „Ampel“ hat den Ernst der Lage nicht begriffen. Die Bundesrepublik droht weiterhin von der Migration überrollt zu werden.

Als Nancy Faeser den im Kabinett verabschiedeten Entwurf eines „Rückführungsverbesserungsgesetzes“ vorstellte, schwankte ihr Ton zwischen Ergriffenheit und Stolz. Es handele sich um ein wichtiges Gesetz, das die irreguläre Migration „deutlich“ reduzieren und für „mehr und schnellere Rückführungen“ sorgen werde.

Hat Frau Faeser das Gesetz gelesen?
Der Text liest sich weniger triumphalistisch. Einmal heißt es kleinlaut, die „genauen Wirkungen“ einzelner oder aller Maßnahmen des Entwurfs auf die Summe der zusätzlich ausreisenden Personen ließen sich „nicht angeben“. Wenig später wird der Versuch dennoch unternommen: Durch die „Verschärfung der Ausreispflicht (sic!)“ werde voraussichtlich die „Anzahl der Abschiebungen um rund 600 (ganze fünf Prozent!) steigen“ – im Jahr.

Die nicht nur orthographische Schlampigkeit belegt den Unernst des Vorhabens. Hat Frau Faeser den von ihr gelobten Entwurf gelesen? Auf Seite 25 will die Regierung keine Zahlen nennen, auf Seite 29 tut sie es doch und gibt sich der Lächerlichkeit preis:

Seit Jahresbeginn haben über 230 000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt, ausreisepflichtig sind knapp 280 000 Personen, die meisten werden indes geduldet. Und da sollen – sofern es klappt – 600 zusätzliche Abschiebungen jährlich die Situation „deutlich“ entlasten? Wenn der bisherige Zustrom anhält, beläuft sich der tägliche Andrang auf bis zu 1000 Personen.

Das Gesetz packt die Probleme weder bei der Wurzel, noch legt es hinreichend effektive Maßnahmen vor. Irreguläre ist illegale Migration und sollte nicht reduziert, sondern verhindert werden. Schon bei der Zielvorgabe verhebt sich die „Ampel“.

Blanke Selbstverständlichkeiten werden zudem als großer Fortschritt verkauft. Die Behörden sollen künftig „auch andere Räumlichkeiten als das Zimmer des abzuschiebenden Ausländers in einer Gemeinschaftsunterkunft“ betreten dürfen. Bisher konnten sich demnach abgelehnte Asylbewerber durch einen Gang ins Nebenzimmer der Ausweisung entziehen. Bizarr ist auch, daß die „Schleusung von Kindern“ erst in Zukunft strafbar sein soll.

Zu untauglichen Mitteln kommt der unambitionierte Zweck. Wer die Hilferufe der Gemeinden ernst nimmt, wer den Kollaps der Finanzen ebenso abwenden will wie die Erosion der inneren Sicherheit und die vollendete Spaltung einer Gesellschaft, in der Wohnungen zugunsten von Migranten beschlagnahmt werden, der muß sich andere Ziele setzen als nur die Erhöhung der Rückführungen um lächerliche fünf Prozent.

So war das Grundgesetz nicht gemeint
Die Menge der einwandernden Menschen ist zu hoch. Ohne eine deutliche Reduzierung der sozialen Pull-Faktoren, ohne die Aussetzung des Familiennachzugs und vor allem ohne Zurückweisungen an der Grenze wird sich daran wenig ändern. Die von Faeser angekündigten Grenzkontrollen sind Alibiaktionen, solange Kontrollen nichts anderes bedeuten als eine Einreise mit amtlichem Stempel.

Das Grundrecht auf Asyl wurde 1949 keineswegs mit Blick auf globale Migrationsströme in den Verfassungsrang erhoben. Darauf haben unlängst der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily, der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Hans-Jürgen Papier und der Historiker Heinrich August Winkler hingewiesen: „Die Asylbewerber“, schreibt Winkler, „die man damals vor Augen hatte, kamen nicht aus anderen Erdteilen, sondern aus kommunistischen Staaten jenseits des Eisernen Vorhangs.“

Eine Bundesrepublik, die zu einer migrationspolitischen Zeitenwende nicht nur rhetorisch bereit ist und die den wirklich Verfolgten weiterhin einen temporären Schutz bieten will, wird das Grundgesetz reformieren müssen.

Was nun in Deutschland passiert, sind schmerzhafte Korrekturen einer falschen Politik. Ob es mehr als eine Ansage bleibt, wird sich zeigen. Sowohl im Falle von Russland als auch in der Migrationspolitik hat sich Deutschland nach einem Sonderweg der Linie der Nachbarn und befreundeten Länder angenähert. Das Land ist trotz des Hanges seiner Politiker zu idealistischem Abenteurertum und moralischer Überheblichkeit etwas mittiger geworden. Und es dürfte, herausgefordert von vergangenen Fehlern und alarmiert von dem Zuwachs der AfD, künftig noch ausbalancierter werden.

Vielleicht ist die Mitte in Deutschland aber auch nur ein Kipppunkt. Ist er einmal erreicht, schwenkt der unbedingte Wille zur Moral ins gegenteilige Extrem. „Was ist das Deutsch“, hat Thomas Mann gefragt. „Ein Abgrund, bodenlos.“
Es muß nicht immer so sein.

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Asylpolitik ist keine Selbsthilfe
Von Peter Helmes

Ein Land, das Flüchtlinge aufnimmt, um weniger sich selbst sein zu müssen, hat das falsche Motiv. In der Asylpolitik kann es nicht um deutsche Selbsthilfe gehen. Diese Selbsthilfe macht blind für die Probleme. Dessen ungeachtet bleibt die Frage: Wie will eine Gesellschaft, die ein unsicheres Identitätsgefühl hat, eine muslimische Männerkultur integrieren, die an einem kollektiven Minderwertigkeitskomplex leidet? Ohne klares Identitätsangebot und den Willen, eigene Werte als verbindlich zu erklären, kann es sich das Land auch schwer leisten, judenfeindliche Asylsuchende in einer großen Zahl aufzunehmen. Zumindest dann nicht, wenn das Land seine historische Schuld und den Grundsatz „Israel ist Staatsräson“ auch in Zukunft ernst nehmen will.

Verbote statt Aufklärung
Es fehlt ganz offensichtlich an Aufklärung – besonders bei jungen Menschen. Man räsonierte und schwadroniert über „die Lage“, aber über die Lage an den Schulen schweigt man lieber. Die Wurzel des Problems anzugehen und für Prävention zu sorgen, also für ein echtes „Nie wieder!“, das scheint derzeit nur auf wenigen Sprechzetteln zu stehen.

Warum das so ist? Die Politik, ob auf Landes- oder Bundesebene, kennt ihre Verfehlungen. Viele deutsche Schulen sind heruntergewirtschaftet, die Gebäude marode, die Ausrüstung schlecht, die Lehrer und ihre Helfer überlastet und schon lange am Ende ihrer Nerven. Lange hat die Politik Schulen, Lehrer und Kinder im Stich gelassen. Sie haben eine schwache Lobby im Bundestag, ihre Probleme sind zudem kostenintensiv. Und zu stark hängen die Probleme zusammen: Der Lehrermangel greift in jeden Bereich ein, macht spontane Umstellungen im Stundenplan an vielen Schulen unmöglich.

Also arbeitet man auch hier wieder mit Verboten statt Aufklärung. So wie Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch.
Die CDU-Politikerin schrieb in der vergangenen Woche einen langen Brief an Schulleitungen in der Hauptstadt. Darin erklärte sie, welche Handlungen und Outfits an Berliner Schulen nun untersagt sein können, wenn die Direktoren es wollen: Aufkleber mit dem Spruch „Free Palastine“; Kleidungsstücke wie das Palästinensertuch; bestimmte Meinungsäußerungen oder Gesten. Auch die Nutzung von Mobiltelefonen könne temporär für alle Schüler einer Schule untersagt werden.

Erst am Ende ihres Briefes schreibt Günther-Wünsch: "Wir müssen den Kindern und Jugendlichen auch erklären, warum sie diese Symbole nicht zeigen sollen, und mit ihnen ins Gespräch über ihre Gefühle, Gedanken und Informationsquellen kommen (...)"

Daß das der erste und nicht der zweite Schritt sein müßte, dürfte wohl jedem aufgehen.
Das aber kostet Zeit, Verständnis, Zuwendung. Ressourcen, die es an Deutschlands Schulen oftmals nicht mehr gibt.

Doch die Sicht von Kindern und Jugendlichen auf den Nahostkonflikt, ihre Ängste und Sorgen, die Probleme der Lehrkräfte: Sie gehören jetzt ganz oben auf die Prioritätenliste der Politik. Diese soziale Bombe tickt schon lange – und Scholz muß sie dringend entschärfen, will er sein richtiges und wichtiges Versprechen halten, das er erst vor wenigen Tagen bei einer Rede in Dessau wieder gab: ein sicheres Deutschland für Juden und alle anderen Minderheiten. Ein Kampf gegen Antisemitismus, ob er von links oder rechts kommt, ob er in Deutschland oder in anderen Ländern gewachsen ist.

EU-Gipfel ringt um Worte
„Wie groß die Macht der Worte ist, wird selten recht bedacht", schrieb der Dramatiker Friedrich Hebbel schon 1838. Für den EU-Gipfel, bei dem sich seit Donnerstagnachmittag letzter Woche (26.10.) Kanzler Scholz und die 26 anderen Regierungschefs treffen, gilt dieser Satz nicht. Dort wurde nicht nur um Worte, sondern sogar um einzelne Buchstaben heftig gestritten.

Grund war die Abschlußerklärung des Gipfels zum Nahostkonflikt. Sie soll eine gemeinsame Linie der EU-Länder zum Krieg zwischen Israel und der Hamas formulieren. Lange wurde sie diskutiert, am späten Donnerstagabend schließlich wurde sie verabschiedet. Die EU-Staaten fordern darin nun humanitäre Feuerpausen und geschützte Korridore für sichere Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Es brauche einen kontinuierlichen, schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für Hilfslieferungen.

Der Grund: Die Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Die Hamas feuert Raketen nach Israel, Israel wiederum attackiert Stellungen der Hamas in Gaza. Die Versorgung für die zivile Bevölkerung ist so zum großen Teil abgeschnitten. Hilfsorganisationen zufolge mangelt es an Medikamenten, Trinkwasser, Lebensmitteln, Kleidung – also an so ziemlich allem. Und mit jedem Tag wird die Lage schlimmer.

Die Erklärung aber sorgte in den vergangenen Tagen für Diskussionen und Differenzen. Im ersten Entwurf schlug EU-Ratspräsident Charles Michel noch vor, eine „humanitäre Pause" zu fordern, um „einen sicheren Zugang für humanitäre Hilfe zu ermöglichen". Die Vereinten Nationen fordern nicht nur eine Feuerpause, sondern einen noch weitergehenden Waffenstillstand.

Länder wie Deutschland, Österreich und Ungarn aber sprachen sich klar dagegen aus, daß  sich die EU den Aufrufen nach einer Waffenruhe öffentlich anschließt. Sie wollen Israel nicht brüskieren, dessen Bewohner von der Hamas getötet und entführt wurden und das aus ihrer Sicht alles Recht hat, sich nun zu verteidigen. Nicht nur Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) argumentiert, ein solcher Vorstoß sei angesichts des anhaltenden Terrors der Hamas unangemessen.

Länder wie Spanien oder Irland setzen sich hingegen wegen der vielen zivilen Opfer bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen für einen solchen Aufruf ein. Sie argumentieren, daß die von Israel ausgehende Abriegelung des Gazastreifens klar gegen das Völkerrecht verstößt.

Die Lösung ist ein klassischer Kompromiß: In der finalen Erklärung ist nun nicht mehr von einer „humanitären Pause“ die Rede, sondern von „Pausen“ und „Korridoren“ – im Plural. So soll es weniger nach einer großen Waffenruhe klingen als vielmehr nach zahlreichen kleineren Maßnahmen.

Merke: Feigheit versteckt sich oft hinter hohle Worte.

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Zur Lage im Gazastreifen
Von Peter Helmes

Der Westen will, daß Ägypten den Grenzübergang Rafah öffnet und die Zivilisten aufnimmt. Präsident Al Sisi lehnt das nach wie vor ab. Seine Begründung ist, daß mit den Zivilisten auch bewaffnete Kämpfer kommen und in Ägypten für Chaos sorgen könnten. Auf der anderen Seite gibt es die finanzielle Last, die durch so viele Flüchtlinge entsteht. Ägypten weiß, daß es genauso wie der Türkei gehen könnte, als vier Millionen Flüchtlinge aus Syrien kamen und die Türkei mit einigen Milliarden Euro abgespeist wurde. Man darf jedoch auch nicht vergessen, daß Ägypten wegen der derzeitigen Wirtschaftskrise dem westlichen Druck nicht widerstehen wird. Aber wird der Westen all die Versprechen auch halten?

Den Grenzübergang in Rafah zu öffnen, sollte dennoch ernsthaft geprüft werden.  Warum sollte dies nicht auch ein Ausweg für die Bewohner des Gazastreifens und ihre Familien sein? Natürlich wollen die Ägypter, die einen 10-jährigen Krieg gegen die IS-Dschihadisten auf dem Sinai geführt haben, keine weitere Gruppe von Extremisten importieren, die sich unter den rechtmäßigen Flüchtlingen verstecken. Aber es könnte eine internationale Überwachung und Finanzierung geben. Wenn die Hamas endlich beseitigt ist, könnten die Menschen nach Gaza zurückkehren, dann mit finanzieller Unterstützung für den Wiederaufbau der Infrastruktur.

Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hat keine Lizenz, Unschuldige in Gaza zu töten. Man muß ihm zugutehalten, daß Israel die Zivilbevölkerung aufgefordert hat, das vorgesehene Kampfgebiet zu verlassen. Dies stellt Israel bereits als eine gerechtere und moralischere Kraft gegenüber seinem Feind dar. Die Hamas hat die Familien, die sie letzte Woche gefoltert und abgeschlachtet hat, nicht gewarnt. Doch schon vor einem umfassenden israelischen Angriff sterben zu viele palästinensische Zivilisten. Durch die Unterbrechung der Nahrungs-, Wasser- und Stromversorgung einer Gesamtbevölkerung von zwei Millionen Menschen macht sich Israel einer kollektiven Bestrafung schuldig.

Gaza-Stadt wurde so geplant, daß ein israelischer Bodeneinsatz erschwert wird. Einige breite Straßen münden in enge Gassen. Mit Panzern kommt man dort nicht hinein. Das bedeutet, daß  die israelische Armee große Verluste erleiden wird. Zudem ist es dem israelischen Geheimdienst bis heute nicht gelungen, das Geheimnis des Tunnelsystems unter der Stadt zu lüften.

Laut israelischem Militär sind es mehr als 200 Geiseln, die die Hamas irgendwo im Gazastreifen gefangen halten. Aber in Wahrheit liegt die Zahl unendlich viel höher; denn die gesamte Bevölkerung im Gazastreifen könnte als Geisel der Hamas bezeichnet werden. Innerhalb des Gebiets gibt es eine Fluchtbewegung in den Süden, doch die Hamas befiehlt, im Norden zu bleiben. Die Menschen sollen nicht nur als menschliche Schutzschilde dienen, denn tote Zivilisten fördern auch die eigene Propaganda. „Seht nur, die Zionisten bombardieren Wohnhäuser“, heißt es dann. Die Antwort aus Israel lautet dann allerdings, daß Hamas ganze Wohnviertel zu Raketenabschußrampen umgebaut hat und die Bewohner an der Flucht hindert: Wer Hamas zerstören will, muß folglich Gaza zerstören.

Es mag in den arabischen Ländern schwierig sein, die Hamas angesichts der Tragödie, die das palästinensische Volk derzeit erschüttert, öffentlich zu kritisieren. Aber hinter verschlossenen Türen muß man sagen: Es ist es an der Zeit, daß die Hamas begreift, daß die Lage der Palästinenser schlimmer geworden ist, seit sie die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hat. Es ist allein sie, die Entscheidungen über den Gazastreifen trifft, sie hat das Entscheidungsmonopol. Dieser Zustand ist nicht haltbar – die Palästinenser müssen an der politischen Willensbildung beteiligt werden.

Die Hamas hat während ihrer Herrschaft über den Gazastreifen jede Opposition zerschlagen. Darum läßt sich nur schwer ermitteln, was die Mehrheit der Bevölkerung dort wirklich denkt – außer daß Menschen dort verzweifelt über ihre schwierigen Lebensbedingungen sind.

Die sind jetzt schlimmer denn je. Israels Bombenangriffe treffen Zivilisten, Straßenkämpfe sind immer brutal. Es ist zynisch, wie Hamas Geiseln und die eigenen Bürger instrumentalisiert. Das sagt viel über das Menschenbild dieser Terrororganisation, und ihre Taten vom 7. Oktober sprechen von purer Bosheit.

Aber die Verbrechen der Hamas können für die israelische Armee bei einem Gegenschlag kein Freibrief sein, selbst die Regeln zu brechen, die wir uns als Welt verordnet haben; die das Kriegsrecht und das humanitäre Völkerrecht selbst im Verteidigungskrieg vorsehen. Diese Regeln sind vielmehr gemacht für Situationen wie diese, in denen blanker Haß, Wut und Verzweiflung regieren. Der Schutz von Zivilisten steht dabei an oberster Stelle.

Auch die israelische Armee bekräftigt in ihren offiziellen Erklärungen, nicht die Frauen, Männer und Kinder in den Ruinen Gazas sind der Feind, sondern die Terroristen der Hamas, die sich in den Tunneln darunter eingerichtet haben. Diesen Worten muß Israel wohl oder übel Taten folgen lassen. Und zwar nicht nur aus dem Bekenntnis zum Völkerrecht heraus, sondern auch zum eigenen Vorteil.

Durch die Vergeltung Israels könnte die Kritik, die eigentlich an die Hamas gerichtet werden sollte, auf Israel treffen. In der Folge besteht die Gefahr einer Anti-Israel-Stimmung seitens der internationalen Gemeinschaft. Dies wiederum wäre eine für die Hamas wünschenswerte Situation. Die Weltgemeinschaft muß sich dringend für die humanitäre Hilfe einsetzen, mit Hilfe von UNO und Ägypten.

Während die Palästinenser und die Araber um Territorium und Interessen kämpfen, kämpft Israel um seine Existenz. In einem Krieg hat das Land keine andere Wahl als den Sieg. Die Hauptverlierer werden auf jeden Fall die Palästinenser sein, und wenn die Hisbollah mitmacht, auch die Libanesen.

Israel setzt dabei vor allem auch auf die Hilfe der USA und ein entschlosseneres Handeln der Regierung von Präsident Biden. Aber leider gibt es im Westen die Haltung, den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern in Gut und Böse zu unterteilen. Das ist jedoch nicht nur falsch, sondern zeugt auch von fehlender intellektueller Verantwortung.

Das gilt gerade für die Äußerungen linker Kräfte, die von moralischer Heuchelei, mangelnder Empathie und Antisemitismus triefen. Die Hamas hat ihre Macht in Gaza zementiert und in 17 Jahren keine Wahlen abgehalten, und sie hat am 7. Oktober Kämpfer ausgeschickt, die wahllos Zivilisten töten und entführen sollten. Manche radikale Linke rechtfertigen die Massaker sogar und sprechen wegen der Besatzungspolitik von israelischen Zivilisten als legitimem Ziel. Statt die Hamas zu verurteilen und sich für eine Zwei-Staaten-Lösung einzusetzen, sind diese Linken in ihrem eigenen Antisemitismus gefangen und halten sich auch noch für moralisch erhaben.

Aber wenn die Abschreckung der USA abermals versagt, wird Biden kaum eine andere Wahl haben, als mit militärischer Macht zu reagieren, wenn er irgendeine Glaubwürdigkeit bewahren will. Hamas-Terroristen haben mindestens 29 Amerikaner bei ihrem blutigen Anschlag getötet, und eine unbekannte Zahl von US-Bürgern wird in Gaza gefangen gehalten. Die erste Pflicht eines Präsidenten ist es, amerikanische Bürger zu schützen, und wenn diese Gefangenen in den Händen der Hamas sterben, sollte er auch Iran dafür verantwortlich machen.

P.S.: Ein beschämendes Verhalten der deutschen Außenpolitik
Annalena Baerbock hat eine ausgewogene, kluge und klare Begründung geliefert, warum sie der von der UNO-Vollversammlung verabschiedeten Resolution gegen den Krieg um Gaza nicht zustimmen konnte. Sie hat bemängelt, daß kein Wort vom Terror der Hamas darin war und das Selbstverteidigungsrecht Israels ignoriert wurde. Richtig!

Allein, die Begründung funktioniert nur, wenn man die Resolution ablehnt. Haben die Deutschen aber nicht. Der Stimme enthalten haben sie sich, angeführt von ihrer Außenministerin. Es war ein beschämendes Schauspiel, schäbig, schlicht unerträglich – und es war auch völlig unnötig

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
das mag für heute genügen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Nächsten einen milden Übergang vom Herbst zum Winter  sowie den Schutz Gottes und, wie stets an dieser Stelle, uns allen eine bessere Politik.

Mit herzlichen Grüßen und bestem Dank für Ihre Treue,
Ihr
Peter Helmes
Hamburg, 01. November 2023


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